„Zuhause – Familienbilder“ – Frauenmuseum zeigt Alexandra Weidmann
Von Peter Köster
Bonn. Alexandra Weidmanns erste Ausstellung im Frauenmuseum Bonn war eine Hommage an die Fotojournalistin Marie Goslich, deren Fotoarbeiten die Berliner Künstlerin inspirierten. In ihren aktuell gezeigten Ölbildern greift Weidmann erneut die Fotografien von Marie Goslich auf. „Zuhause – Familienbilder“ heißt die bis zum 25. September gezeigte Bonner Ausstellung.
In vielen Fotografien von Marie Goslich halten sich Personen im Mittelgrund auf, so dass sie in ihre Umgebung eingebunden sind, diese aber nicht dominieren. In ihren Interpretationen löst Alexandra Weidmann diese Personen aus ihren in der Fotografie dokumentierten zeitlichen und sozialen Kontext und rückt sie ins Zentrum. Mit dem Hinzufügen von Farbe in Gemälden und Grafiken nimmt Weidmann einen Abstraktionsschritt der Schwarzweißfotografie zurück. Die aus der Farbwahl resultierende Verfremdung zeigt den Interpretationscharakter der Darstellung. „Allzu leicht wird eine Fotografie für die exakte Wiedergabe der Realität gehalten. Dabei ist sie nur eine Interpretation“, so Alexandra Weidmann über ihr Werk.
Farbigkeit ist besonders auffällig
Weidmanns Arbeiten „erzählen“ Geschichten, stellen Fragen. Besonders auffällig ist ihre Farbigkeit. Leuchtend-bunt daher kommen die Bilder, die die Künstlerin malt. Die Farbgebung lässt an Pop-Art denken. Die leuchtenden Farben suggerieren Heiterkeit und stehen mitunter im krassen Widerstreit mit gesellschaftspolitischen Bildinhalten. Ein starrer Bildaufbau mit Vorder- und Hintergrund interessiert die Künstlerin kaum – also bricht sie ihn auf. Die Gemälde verbreiten – auf den ersten, flüchtigen Blick – eine überaus positive Grundstimmung, verbreiten teils unaufdringlichen Humor, wirken verschmitzt. Doch bei näherem Hinschauen entpuppt sich diese bunte Fröhlichkeit schnell einmal als Fassade, ¬hinter der Nachdenklichkeit steckt und hier und da schwarzer Humor lauert, wie das Gemälde „Der Holzfäller“ von Ferdinand Hodler zeigt, das Weidmann in ihrer Darstellung wie folgt interpretiert: Statt in Richtung Baumstamm richtet sich in Weidmanns Bild die Axt gegen ein Kind, im Hintergrund beobachtet ein Schaf die Szene. Ein Bild, das seinen Betrachter geradezu erschaudern lässt.
Manchmal düstere Bildthemen
Trotz der manchmal düsteren Bildthemen soll der erste Eindruck heiter sein. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Darstellung von Menschen, die bei Weidmann eine prominente Rolle bekommen. Sie zeigt Bilder, die man unter dem weitgefassten Begriff „Familienbilder“ einordnen kann. Die Bilder greifen unterschiedliche Aspekte des menschlichen Zusammenlebens auf, wobei insbesondere die Rolle der Frauen teils ironisch, teils bitter beleuchtet wird. Die Situation der Frauen hat sich nicht zuletzt aufgrund der Frauenbewegung verändert. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts war das Leben und die Gesundheit durch eine hohe Kinderzahl bedroht. Von zehn Kindern überlebten die Kindheit vielleicht drei. Der Tod war ein ständiger Begleiter, was z.B. im Bild „Erde zu Erde“ thematisiert wird. Als Modell für das Zusammenleben ist nicht mehr nur die Vater-Mutter-zwei-Kinder-Konstellation möglich. Auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften sind akzeptiert, wobei diese nicht unbedingt problemlos sein müssen, wie man aus den Bildern „Am Tisch“ oder „Zweisamkeit“ schließen könnte.
Klassische Frauenrolle in der Familie
Immer noch gibt es die klassische Rolle der Frau in der Familie. Sie hat sich um Haushalt, Kinder und Pflege von Angehörigen bis in den Tod zu kümmern. Am Schluss räumt sie die Knochen auf, wie es das allegorische Bild „Die Arbeit, das Leben und der Tod“ aufzeigt. Der harmlose Familienausflug im Boot („Begegnung“) konfrontiert uns mit der Frage, was ethisch vertretbar ist. Kann man die im Wasser treibenden Afrikanerinnen ins Boot aufnehmen? Und wie viele, ohne dadurch die eigene Familie zu gefährden? Und wann hört endlich die Gewalt gegen Frauen auf? Finden wir in der Familie Nähe, Geborgenheit, Schutz vor der Gewalt und, wenn diese nicht abgewendet werden kann, einen Ort zur Gesundung? Ist sie nur eine Möglichkeit, seine Sexualität auszuleben, Kinder in die Welt zu setzten und Großeltern zu werden? Familien bedeuten Struktur, ein Geben und Nehmen, aber auch Einengung bis zur Unterdrückung, Ausbeutung und Gewalt.
Informatik studiert
Was will Alexandra Weidmann mit ihrer Kunst ausdrücken. Warum malt sie? „Ich wollte immer schon malen, konnte mich damals jedoch mit diesem Wunsch gegenüber meinen Eltern nicht durchsetzen und studierte Informatik.“ Technik sei kreativer als alles andere. Aber was hat denn Technik mit Kunst zu tun? Beides verbindet. Auf beiden Gebieten gehe es darum, abstrakte Ideen umzusetzen. Es gehe stets um das Finden von Lösungen. „Man schaut sich ein Problem an, verharrt jedoch nicht beim Problem, sondern versucht mit verschiedenen Methoden, das Problem zu lösen.“ Dabei kombiniert man Methoden, so dass Neues entstehen kann.
Eigene und publizierte Fotos
Die Ausgangspunkte der Bildkompositionen von Alexandra Weidmann sind oft Fotografien, gefunden z.B. in Fotoalben, aber auch eigene und publizierte Fotos können zur Umsetzung einer Bildidee führen. Die meist verändert dargestellten Protagonisten stehen somit Modell für ein Bildgeschehen, das es im realen Leben nie gegeben hat. In ihren Bildern versucht die Malerin über eine Einzelsituation hinaus zu gelangen. Hierfür wendet sie vor allem die Methode der Collage an, das heißt im Bild auftauchende Protagonisten sind nur dort zur selben Zeit am selben Ort. Die Figuren werden aus ihren Kontexten gelöst und je nach der beabsichtigten Bilderaussage mit anderen neu kombiniert. So wird die angeblich heile Welt demaskiert und durch Semantikverschiebung entstehen aus alten Narrativen neue.
BUS:
Bild 1: St. Georg gescheitert; Öl auf Leinwand, 110 x 140cm, 2011.
Foto: Peter Köster
Bild 2: Medea füttert ihre Enkelin; Öl auf Leinwand, 70 x 100 cm, 2019.
Foto: Peter Köster
Bild 3: links: Coming my Dear! Öl auf Leinwand, 80 x 80 cm, 2012.
mitte: Now and forever Öl auf Leinwand, 80 x 80 cm, 2012
rechts: Sah ein Knab ein Röslein stehn; Öl auf Leinwand, 80 x 80cm, 2012.
Foto: Peter Köster