Von der Heydt Museum zeigt Else Lasker-Schüler und die Avantgarde
Von Peter Köster
Wuppertal. Im Rahmen des Programms der Stadt Wuppertal „Meinwärts. 150 Jahre Else Lasker-Schüler“ widmet das Von der Heydt-Museum der Künstlerin und Dichterin Else Lasker-Schüler eine Ausstellung, die ihr Werk im Kontext der Avantgarde der Zeit präsentiert. Die sehenswerte Schau endet am 16. Februar 2020.
Eine andere Welt kreiert
Else Lasker-Schüler (1869 –1945) gilt als herausragende Vertreterin der avantgardistischen Moderne und des Expressionismus. Im Mittelpunkt der Wuppertaler Schau steht eine Auswahl ihrer farbigen Zeichnungen, die Einblick in ihre einzigartige und märchenhafte Vorstellungs- und Bildwelt geben. Mit der Untersuchung der Frage, was sie in ihrem innersten Wesen mit Kunst und Künstlern ihrer Zeit verband, will die Präsentation einen umfassenden Zugang zu ihrer eigenwilligen Persönlichkeit ermöglichen. Neben ihrer anspruchsvollen Dichtung brachte Else Lasker-Schüler ein ebenso faszinierendes bildnerisches Œuvre hervor, in dem sie ihrer jüdisch-orientalisch inspirierten Phantasie vor allem mit zeichnerischen Mitteln poetischen Ausdruck verlieh. In ihrer Dicht- wie auch in ihrer Bildkunst kreierte sie eine „andere“ Welt, in der sie selbst in imaginären Rollen –als Tino von Bagdad und als Jussuf, Prinz von Theben – auftrat.
„Zitronenpferd und Feuerochse“
Ihre sehr charakteristischen und eigenständigen Zeichnungen entwickelte Else Lasker-Schüler im Umfeld von Jugendstil, Expressionismus, Futurismus und Dada. Einflüsse und Wechselwirkungen zu Werken anderer Künstler werden aufgezeigt; so wird erstmals die besondere Rolle von Franz Marc, dem Begründer des Blauen Reiter, herausgestellt und sichtbar gemacht. Marc hat für Lasker-Schüler Postkarten bemalt. Am 9. März 1913 schickt der expressionistische Maler ein kunterbuntes Bildchen „Zitronenpferd und Feuerochse“ an sie in Berlin. Auch andere Karten zeigen in kleinem Format seine berühmten Tier-Motive, etwa ein blaues Pferd. Lasker-Schüler antwortet ihrerseits mit Zeichnungen eines orientalischen Prinzen „Jussuf“, der ihre Züge trägt. Die Dichterin, Teil der quirligen Berliner Künstlerszene, hatte Marc und seine Frau 1912 kennengelernt, man war eng befreundet. „Ich sehe sie als Schlüsselfigur in dieser Bohème-Szene und in der Avantgarde“, so Ausstellungsmacherin Antje Birthälmer, als sie die unkonventionelle Lasker-Schüler-Rolle würdigt. Die dunklen Haare trug sie kurz. Die Tochter aus bürgerlichem Haus war stets knapp bei Kasse und häufig Gast in den Berliner Kaffeehäusern. Streitlustig war Lasker-Schüler auch: Ob sie nun öffentlich mit ihren Verlegern abrechnete oder privat Stellung bezog. Sie war zweifach geschieden, alleinerziehende Mutter, eigenwillig, selbstbewusst und wollte als Frau frei leben. Davon zeugen auch ihre unverblümt erotischen Verse. So verliebte sie sich 1912 in den 17 Jahre jüngeren Dichter und Arzt Gottfried Benn und widmete ihm etliche Gedichte. Benn beschrieb sie viele Jahre später als außergewöhnliche Persönlichkeit, die extravagante weite Röcke oder Hosen trug und reichlich unechten Schmuck. „Und da sie sich unaufhörlich die Haarsträhnen aus der Stirn strich, waren diese, man muss schon sagen: Dienstmädchenringe immer in aller Blickpunkt“.
Altägyptische Kunst
Gezeigt wird, wie sich die Künstlerin von der altägyptischen Kunst hat anregen lassen, der sie die Entwicklung ihres charakteristischen Jussuf-Profilkopfes und verschiedene Kompositionsprinzipien verdankt. In der Ausstellung und im Katalog wird erklärt, dass Lasker-Schülers inszenierte Naivität das Ergebnis großer Kunstfertigkeit und künstlerischer Kraft ist, welche Bedeutung die Farbe in ihren Zeichnungen hat, wie diese neue Assoziationsräume eröffnet und wie bildhaft Else Lasker-Schüler dachte. Das zeichnerische wie das literarische Werk dreht sich vor allem um die Welt Prinz Jussufs und seines Reiches Theben sowie um indianische Ich-Figurationen wie „Der Blaue Jaguar“, „Pampa“, „Pampeia“. Jussuf ist das synthetische Produkt jüdischer, islamischer, christlicher und altägyptischer Bezüge und wurde von Lasker-Schüler eingesetzt „als Idee, als Leitmotiv, als Inner- und außerliterarische Spielfigur.“
Die Wuppertaler Ausstellung folgt dem Lebensweg der Künstlerin von (Wuppertal-) Elberfeld, wo sie am 11. Februar 1869 in einem jüdischen Elternhaus geboren wurde nach Berlin und über die Schweiz, wohin sie vor den Nazis flüchtete, bis nach Palästina, ihrer späteren Heimat. Im Text und in den Bildern ihres „Hebräerlands“ romantisierte sie die „hebräischen Pioniere“, die „Palästina aus seinem tausendjährigen biblischen Sagenschlaf“ erweckt hätten.
Unter den über 200 Werken sind Arbeiten von Edvard Munch, Oskar Kokoschka, August Macke, Paul Klee, Otto Dix, George Grosz, Ernst Ludwig Kirchner und Franz Marc. Von Karl Schmidt-Rottluff und Jankel Adler stammen Porträts der Dichterin. Etwa 80 Exponate hat Lasker-Schüler selbst gemalt.
BUS:
Bild 1: Else Lasker-Schüler Fotografie, um 1932. Fotografie Stadtbibliothek Wuppertal, Else-Lasker-Schüler-Archiv
Bild 2: Else Lasker-Schüler Jussuf, 1927, Kreiden, Tinte, Tusche,collagierte Goldfolie 20,3 x 13,6 cm Literatur-und Kunstinstitut Hombroich / Sammlung Kahmen, Neuss; Foto: Achim Kukulies
Bild 3: Else Lasker-Schüler Indianerinnen, um 1930 Pastell- und Ölkreide, teils laviert, sowie Tusche über Bleistift auf dünnem glattem elfenbeinfarbenem Papier, 23 x 14,5 cm, Jüdisches Museum Frankfurt