„Vom Frauenwahlrecht zum Frauenmandat“
Von Peter Köster
Bonn. Das Frauenmuseum Bonn (FM) zeigt im Zeitraum Oktober 2018 bis 1. November 2019 in drei Etappen die Ausstellung „100 Jahre frauenpolitischer Aufbruch – vom Frauenwahlrecht zum Frauenmandat“. Der erste Teil thematisiert den Kampf um politische Partizipation anlässlich des 100 jährigen Jubiläums des Frauenwahlrechts. Der zweite Teil – mit dem Kampf um die Verankerung der Gleichberechtigung im Grundgesetz der BRD bis zu den ersten Ministerinnen in der Bundesregierung – wird Ende März 2019 eröffnet. Der dritte Teil widmet sich den Frauen am Bauhaus und läuft vom 19. Mai bis 1.November 2019.
Mörtelwannen und Eimer als Raumkunst
Zu sehen sind unter anderem Arbeiten von Else Lasker-Schüler und Käthe Kollwitz. Beide setzten sich Anfang des 20. Jahrhunderts besonders für das Frauenwahlrecht ein. Ferner zeigt die Ausstellung Werke von Künstlerinnen wie von Bertamaria Reetz. Kennzeichnend für deren künstlerische Arbeit ist eine auf das Wesentliche reduzierte expressive Darstellung, die auch für ihre Tonfiguren-Gruppe charakteristisch ist. Dynamisch-bewegt und von kraftvoller Energie sind diese Arbeiten. Wie ihre Gemälde zeigen auch diese Werke das Assoziative zu Käthe Kollwitz. Kollwitz ist das beherrschende Thema der Künstlerin. Dazu zählt auch die Installation „Weltkugel – Die Welt in den Händen“. In unmittelbarer Nachbarschaft zeigt Homa Emami ihre Installation „Zehn mal Zehn“. Zehn Mörtelwannen/Baueimer sind im Raum auf unterschiedlichen Tischbeinen und Hockern aufgestellt, welche mit Lichtern von innen beleuchtet werden. In diesen Mörtelwannen sind Fotos von Frauen zu sehen, deren Gesichter unter einer roten Farbe verdeckt und in einem Metallrahmen eingerahmt sind. „Die Mörtelwannen sind jeweils mit einem Bericht über die momentane Situation der Frauen in den zehn Ländern verbunden, in denen es den Frauen am schlechtesten geht“, erklärt die Künstlerin ihre Arbeit. Das Konzept wird für die Installation „Zehn mal Zehn“ durch alltägliche Materialien und Objekte aus ihren bisherigen Arbeiten ergänzt. Alice Lex-Nerlinger, Corinna Heumann, Marie Goslich, Käthe Augenstein, Heidi Adrian, Heidi H. Kuhn, Marlies Obier, Marianne Schröder, Maria Pudelko, H.O. Schmidt, Judith Samen, Tanja Schneider, Tina Schwichtenberg, Biggi Slongo und Gruppe DonnARTE sowie die iranischen Nachwuchskünstlerinnen Pari und Melina setzen darüber hinaus Akzente dieser Ausstellung.
Mit Theorie und Praxis ist das bekanntlich immer so eine Sache. Liberté, égalité, fraternité, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – das Motto der französischen Republik – ist eine wirklich wunderbare Angelegenheit, vor allem die Gleichheit zwischen Mann und Frau, aber ab wann durften Frauen zum Beispiel in Frankreich erstmals wählen? Es war im Jahre 1944. In der Schweiz, man glaubt es kaum, schrieb man das Jahr 1971, und in Liechtenstein war es den Frauen erst 1984 erlaubt, zu wählen. In Deutschland war es 1919 so weit. Diesen langen und hindernisreichen Weg zur Gleichheit beim Wählen beschreibt nun besagte Ausstellung im FM. Titel: Aufbruch der Frauen in die Politik der Moderne – Vom Frauenwahlrecht zum Frauenmandat. Der erste Teil der Ausstellung thematisiert den Kampf um politische Partizipation anlässlich des 100 jährigen Jubiläums des Frauenwahlrechts. Ende des 19. Jahrhunderts wurden Stimmen laut, die politische Rechte für Frauen forderten.
Aktivistinnen leisteten viel Überzeugungsarbeit
Die Aktivistinnen mussten viel Überzeugungsarbeit leisten – und das nicht nur bei Männern. Besonders im Rheinland stieß die Forderung nach dem allgemeinen gleichen Wahlrecht auf Skepsis bis Abwehr, viele Frauenrechtlerinnen bevorzugten das Dreiklassenwahlrecht für beide Geschlechter. Erschwert wurde ihr Engagement durch politische Vereins- und Versammlungsverbote für Frauen. „Die Ausstellung behandelt eine wichtige politische und gesellschaftliche Thematik. Schließlich ist das allgemeine gleiche Wahlrecht ein zentraler Pfeiler unserer demokratischen Grundordnung. Es ist eine Errungenschaft, auf die wir stolz sein dürfen. Sie gehört zur Demokratiegeschichte Deutschlands. Seit nunmehr 100 Jahren können Frauen in unserem Land wählen und gewählt werden. Dieses Recht ist für die gleichberechtigte politische Teilhabe von Frauen und Männern grundlegend“, so Bonns Bürgermeisterin Angelica Maria Kappel. Auch sei das Frauenwahlrecht nicht „vom Himmel gefallen“. Es sei wichtig, dass man sich das bewusst mache. Daher sei es gut, so Kappel, dass sich dieses Projekt dem Thema widmet. Schließlich sei heute offensichtlich vielen nicht mehr bewusst, dass das Stimmrecht Teil unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung sei. Wörtlich: „Stellen wir Frauen uns also gemeinsam dieser Mitverantwortung. Denn auch nachfolgende Generationen wollen ein Land vorfinden, in dem sie gerne leben und gute Lebens- und Arbeitsbedingungen antreffen! Dies ist mir nicht nur als Repräsentantin der Stadt Bonn ein wichtiges Anliegen. Natürlich ist es das auch als Frau, gerade als Frau, die für Bonn Politik macht.“
Deutscher Verein für Frauenstimmrecht
1902 gründete Anita Augspurg den Deutschen Verein für das Frauenstimmrecht. Nur eine Minderheit forderte das allgemeine gleiche Wahlrecht für Frauen, konservative Frauen lehnten es ab, da sie nicht für eine allgemeine Emanzipation eintraten, sondern für das eingeschränkte Klassenwahlrecht, das Männer ausübten. Während SPD-Politikerinnen Kundgebungen organisierten, war es die Strategie der bürgerlichen Wahlrechtsvereine, Petitionen einzureichen. Damit waren die Parlamente gezwungen, sich mit dem Frauenstimmrecht auseinanderzusetzen. Doch die Frauen hatten keine Chance auf Erfolg. „Ohne die November-Revolution wäre das allgemeine Wahlrecht 1918 nicht eingeführt worden. Nach der Erlangung des Wahlrechts 1918 waren Frauen in allen europäischen Staaten nur in sehr geringer Zahl im Parlament repräsentiert“, sagt Bettina Bab, die gemeinsam mit FM-Chefin Marianne Pitzen die Ausstellung kuratiert.
Bonner Republik knüpfte an Weimarer Erbe an
Die Weimarer Republik startete für Frauen hoffnungsvoll: Im Deutschen Reich waren Frauen im ersten demokratisch gewählten Reichstag 1919 mit 9,6 Prozent vergleichsweise gut vertreten, doch bei jeder Wahl nahm ihr Anteil ab, bis sie 1933 faktisch durch das Erstarken des Nationalsozialismus ihr passives Wahlrecht wieder verloren. Die meisten Kandidatinnen für die Landtags- und Reichstagswahlen bekamen keinen guten Listenplatz. Dennoch konnten die wenigen Parlamentarierinnen wichtige Rechtspositionen für Frauen durchsetzen. Die Bonner Republik knüpfte an das Erbe von Weimar an. Nach der Erlangung der Gleichberechtigung im Grundgesetz 1949 forderten Frauen eine Überarbeitung der frauendiskriminierenden Paragraphen im BGB und Regierungsbeteiligung. Die erste westdeutsche Ministerin auf Bundesebene, Elisabeth Schwarzhaupt, trat erst 1961 ihr Amt an. Kanzler Adenauer hatte sich lange gegen eine Frau in seinem Kabinett gewehrt, doch musste er sich schließlich dem Druck der Frauen-Union beugen.
„100 Jahre Frauenpolitischer Aufbruch“ ist Teil des Bauhaus-Jubiläums in NRW. „100 Jahre Bauhaus im Westen“ ist ein Projekt des NRW-Ministeriums für Kultur und Wissenschaft und der Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe. Schirmherrin ist Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.
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Bild-1: Maria Pudelko widmet sich mit ihrer Installation dem Thema Freiheit.
Foto: Peter Köster
Bild-2: „Die Welt in den Händen“ nennt Bertamaria Reetz ihre Installation
Foto: Peter Köster
Bild-3: Diese sogenannte „Bauhaus-Torte“ konzipiert von den Landschaftsverbänden Rheinland und Westfalen-Lippe, verbleibt noch bis November im Frauenmuseum. Nächste Station ist das Landesmuseum in Münster.
Foto: Peter Köster
Bild-4: „Zehn mal Zehn“ nennt Homa Emami ihre raumfüllende Installation.
Foto: Peter Köster