„Stereo-Typen“: Ausstellung grafische Sammlung des Kunstmuseums
Von Peter Köster
Bonn. Das Kunstmuseum Bonn zeigt eine Ausstellung mit dem Titel „Stereo Typen“. Die Schau präsentiert Werke aus der Grafischen Sammlung des Museums, unter anderem von Rudolf Bonvie, Jürgen Klauke, Ulrike Rosenbach, Niki de Saint-Phalle, Wolfgang Tillmanns, und sie läuft bis zum 2. Juni im Vorgriff auf die artverwandte Ausstellung „Maske Kunst der Verwandlung“.
Gegenwärtig ist eine heftige Debatte über Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit vom dritten Geschlecht im Personalausweis bis hin zu genderneutralen Toiletten im Gange. Aber diese Diskussion über Überschneidungen, Abgrenzungen und Zuordnungen ist nicht neu, das beweist die Kunst der 70er und 80er Jahre, die sich immer wieder mit diesem Thema auseinandergesetzt hat. Aus dieser Zeit stammen die grafischen Werke, die unter dem Titel „Stereotypen“ im Kunstmuseum Bonn zu sehen sind.
„Sammlungs-Fluid“
Sammlungen sind ein zentraler Punkt des Hauses“, hebt Stephan Berg, Intendant des Kunstmuseums, die Bedeutung der Ausstellung „Stereo-Typen“ hervor, die, wie bereits die 2017 durchgeführte Schau „Revision“ auf die Bestände des Hauses zurückgreift. Für die aktuelle Präsentation, bestehend aus u.a. Videos, Fotografien, Zeichnungen, haben die beiden Kuratoren Barbara Scheuermann und Maximilian Rauschenbach über einen längeren Zeitraum das Depot durchforscht. Im Vorfeld der Ausstellung haben sie häufig über das Thema Geschlechterrollen, Genderfragen gesprochen und unter dieser Prämisse die grafische Sammlung am Kunstmuseum unter die Lupe genommen. Dabei stießen sie auch auf die Bernhard-Schulze-Plastik „Migof“ (Blumen-Mannequin) von 1971, die, als „Störstelle“, wie Stephan Berg sagt, unbedingt in die Ausstellung gehöre. Die Präsentation ist ein besonderes Gesprächsangebot an die Besucherinnen und Besucher, so Barbara Scheuermann, und sie versammelt grafische Werke von Künstlerinnen und Künstlern, die sich mit Fragen nach Rollenzuschreibungen, Geschlechteridentität und der Tragfähigkeit gesellschaftlicher Normen beschäftigen. Künstlerinnen und Künstler dieses „Sammlungs-Fluid“ setzen sich in dieser Präsentation mit ihrer Identität auseinander. Für sie gehört es zum selbstgestellten künstlerischen Auftrag, die vermeintliche Normalität von Heterosexualität und damit der Zwei-Geschlechter-Ordnung in Zweifel zu stellen und Visionen geschlechtlicher und sexueller Vielfalt in Kunst und Gesellschaft zu entwerfen.
Gezeigte Werke sind „queer“
Geschlecht, Sexualität und der Diskurs über eine damit verbundene Rollenverteilung bilden den thematischen Schwerpunkt der Ausstellung. Unmittelbar damit zusammen hängen die Erforschung von Konstruktion, Inszenierung und Auflösung des Künstlerinnen- und Künstler-Egos sowie des Verhältnisses zwischen Betrachterinnen und Betrachtern und dem Kunstwerk. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der Begriff der „Queerness“ – sprich das Abweichen von der Norm – der inzwischen nicht mehr nur als eine griffige Formel für die LGBTIQ-Bewegung: (Abkürzung steht für lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle, transgender, queere, intersexuelle und asexuelle Menschen) zu verstehen ist, sondern vielmehr als eine Position der Identitäts- und Gesellschaftskritik in Form des Durchkreuzens oder Unterlaufens von „Normalität“. In diesem Sinne sind alle gezeigten Werke „queer“. Zeitlich verdichtet sich die Präsentation in den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts, einer Zeit, in der als Folge der 1968er Revolution mit besonderer Offenheit und Experimentierfreude Rollenbilder hinterfragt und demontiert wurden. Das Gender-Fluid: das Springen von einer Geschlechterrolle in die Nächste – machte die Runde. Zudem wurde der eigene Körper nicht selten als Projektionsfläche (Schlachtfeld) missbraucht.
BUS
Bild 1
Wolfgang Tillmans, Anders (Brighton Arcimboldo), 2005, Inkjet Print, Dauerleihgabe KiCo, © Wolfgang Tillmans, Courtesy.
Foto: Peter Köster
Bild 2
Bernhard Johannes Blume, Flugversuch, 4-teilig, aus der Serie Ödipale Komplikationen?, 1977/78, Silbergelatineabzug, © VG Bild-Kunst, Bonn 2019.
Foto: Peter Köster
Bild 3
Bernhard Schulze, Blumen-Mannequin „Migof“ 1971, Farbplastik auf Metallhalterung, Eisengerüst, Draht, Plastikmasse, Textilien, Öl.
Foto: Peter Köster