(Blog 00484)
LVR-LandesMuseum zeigt die Ausstellung „Im Meer versunken. Sizilien und die Unterwasserarchäologie“ – Viele Objekte sind erstmals in Deutschland zu sehen
Von Peter Köster
Bonn. Drei schwergewichtige bronzene originale Rammsporne römischer Kriegsschiffe sind das Highlight der Ausstellung „Im Meer versunken. Sizilien und die Unterwasserarchäologie“, im LVR-LandesMuseum Bonn. Bis zum 11. März werden etwa 150 Objekte gezeigt, die in den letzten Jahren aus dem Meer vor Sizilien geborgen wurden. Dazu gehören neben den Rammspornen, feines griechisches Tafelgeschirr, Statuetten aus Marmor und Bronze, Amphoren, Münzen, Teile einer Kirchenausstattung und Waffen. Die meisten dieser Funde sind erstmals in Deutschland zu sehen. Die Ausstellung ist das Ergebnis eines Kooperationsprojekts der Soprintendenza Del Mare, Palermo und des COBBRA Museum Konsortiums, das sich aus folgenden Institutionen zusammengeschlossen hat: Ny Carlsberg Glyptoteket, Copenhagen, Ashmolean Museum, University of Oxford, LVR-LandesMuseum Bonn und Allard Pierson Museum Amsterdam. Nach Bonn wandert diese Schau weiter nach Brüssel.
Für die alten Ägypter war es das „Große Grün“, für die Juden das „Große Meer“ und die Römer nannten es „Unser Meer“. Im Mittelmeer wird seit über 3000 Jahren Kulturgeschichte geschrieben, mit Sizilien im Zentrum. Rund um die größte Insel des Mittelmeeres begegnen sich, wie sonst nirgends in dieser Dichte, die Kulturen Europas, Asiens und Afrikas. So ist der „italienische Stiefel“ heute nicht zufällig das führende Zentrum der Unterwasserarchäologie. Zum Schutz und zur Erforschung der Unterwasserfundplätze wurde in Palermo eine einzigartige Institution gegründet: Die Soprintendenza del Mare. Mit neuesten archäologischen und naturwissenschaftlichen Methoden erforscht und sichert sie die im Meer versunkenen Schätze.
Seefahrer und ihre Schiffe
Die Ausstellung „Im Meer versunken“ präsentiert Objekte, die in den letzten Jahren aus dem Meer geborgen wurden: Dazu gehören Handelsgüter, Statuen, Münzen, Keramik und Waffen. Die Ausstellung stellt nicht nur die Hochkulturen selbst, sondern auch die Hauptdarsteller in den Mittelpunkt, die den vielbeschworenen Dialog der Kulturen im Mittelmeer überhaupt erst ermöglichten: Die Seefahrer und ihre Schiffe. An den Handelsplätzen Siziliens trafen Phönizier, Griechen, Römer, Araber und Normannen über Jahrhunderte friedlich aufeinander und wechselten Waren und Gebräuche. Siziliens zentrale Lage machte die Insel aber stets auch zu einem Zentrum im Ringen um die Kontrolle über das Mittelmeer. Diese Kämpfe wurden häufig zur See ausgetragen, wie in dem ersten punischen Krieg, einer Seeschlacht zwischen den Karthagern und Römern im 3. Jahrhundert v. Chr., in der 200 Schiffe untergingen. Die Ausstellung folgt den im Meer versunkenen Spuren von Handelsfahrten und Seeschlachten. Aufwändige, eigens für die Ausstellung entwickelte 3D-Animationen erklären zudem die Herstellung und Funktion von Rammspornen oder lassen ein lebhaftes Bild der Seeschlacht bei den Ägadischen Inseln entstehen.
Eine komplette Kirchenausstattung versank
Ob Phönizier, Griechen, Römer, Araber oder Normannen, sie alle prägten die Welt des Mittelmeeres. Der Auftakt der Ausstellung geht auf das spannungsvolle Verhältnis der antiken Kulturen zum Meer ein. Der Rundgang startet mit der Statue des phönizischen Gottes Reschef. Sie wurde aus dem Wrack eines 3000 Jahre alten phönizischen Handelsschiffes geborgen. Die Ausstellung zeigt kostbare griechische Keramik, versunken um 300 v. Chr. vor der Insel Lipari. Ein Gefäß zum Transport von Parfüm, ein Meisterwerk römischer Handwerkskunst, versank mit anderen Luxusgütern für den sizilianischen Markt vor der Hafenstadt Kamarina. Eindrucksvolle Marmorfragmente erinnern an die gefährliche Reise eines byzantinischen Transportschiffes, das zur Zeit Kaiser Justinians (ca. 482 – 565) eine komplette Kirchenausstattung aus dem Marmara-Meer vor Konstantinopel nach Italien transportieren sollte – und sein Ziel nie erreichte.
Tödliche Waffen der Galeeren
Höhepunkt sind drei schwergewichtige bronzene Rammsporne, faszinierende Zeugnisse antiker Kriegskunst, die erst vor wenigen Jahren in einer Tiefe von über 80 Metern gefunden wurden. Sie waren die tödlichen Waffen der Galeeren, die am 10. März 241 v. Chr. vor den ägadischen Inseln im Meer versanken. An diesem Tag siegten die Römer in einer Schlacht von welthistorischer Bedeutung über die vereinigte Streitmacht der Punier und versenkten oder erbeuteten 120 feindliche Schiffe. Dieser Sieg beendete den ersten Punischen Krieg und legte die Grundlage für das zukünftige römische Weltreich. Eine eigens angefertigte aufwendige CAD-Rekonstruktion schildert in packenden Bildern das Aufeinanderprallen der über 100 Kriegsschiffe.
So lässt die Ausstellung Geschichten und Geschichte von weltumspannender Bedeutung lebendig werden, illustriert durch Schiffsmodelle und moderne Medien. Wer gerne seine Latein-Kenntnisse auffrischen möchte, für den hat die Ausstellung ein besonderes Bonbon parat. Am Nachbau einer römischen Galeere kann der Besucher selbst zum Ruder greifen, angefeuert durch einen Schlagmann, der seine lateinischen Kommandos gibt (unterlegt mit Untertiteln).
Tauchexpeditionen für Blinde
Ein umfangreiches Rahmenprogramm ergänzt die Ausstellung. Highlights sind hier etwa das KulturDinner Sizilien am 27. Januar oder der Familientag „Expedition unter Wasser“ am 25. Februar. Darüber hinaus werden sehr zur Freude des Landesmuseums Bonn, bei dem Inklusion eine besondere Bedeutung besitzt, in der archiologischen und naturwissenschaftlichen Forschungsstation Soprintendenza del Mare, Regione Sicilinana, Palermo, geführte Tauchexpeditionen auch für Blinde angeboten.
Im Anschluss an die Ausstellung „Im Meer versunken. Sizilien und die Unterwasserarchäologie“ zeigt das Landesmuseum ein fotografisches Sizilienporträt von Konrad Helbig und eine Ausstellung unter dem Titel: „Im Rhein versunken“.
BUS:
Porträtkopf des Homer, Original: Schwerin Inv. 1900, Kopie Akademisches Kunstmuseum Bonn, Inv. 1213, Foto: Peter Köster
Rammsporn aus der Schlacht bei den Ägadischen Inseln, 241 v. Chr. Soprintendenza del Mare, Regione Siciliana, Palermo. Foto: Peter Köster
Modellrekonstruktion eines spätrömischen Küstenfrachters. Foto: Peter Köster
Kopf des Pan. Ca. 100 vor Chr. Foto: Peter Köster