(Blog 00418)

 

 

Von Peter Köster

Bonn. Dachlatten, Ziegelsteine, Schnüren, Strumpfhosen, Gemälde aus Kaviar:  Witzig, ironisch und politisch, hebelt der Kölner Bildhauer Georg Herold seit den 1980er Jahren die Gesetze von Kunstbetrieb und Kunstverständnis aus: „Distanz ist wichtig in der Kunst, nicht Betroffenheit und Authentizität“. Das Kunstmuseum Bonn widmet ihm nun eine umfangreiche Schau.

Sieben Jahre nach der großen Ausstellung „Der Westen leuchtet“, die das Kunstmuseum Bonn der Kunstlandschaft Nordrhein-Westfalens gewidmet hatte und an der u.a. Georg Herold beteiligt war, zeigt das Haus knapp eine Dekade nach Herolds letzter größerer Einzelausstellung im Rheinland, eine monografische Präsentation, welche die zentralen Aspekte des Werks beleuchtet und zugleich die vitale, humorvolle Frische seines Œuvres beweist. In der bis zum 7. Januar gezeigten Schau soll verdeutlicht werden, wie die Begrifflichkeiten dieses Œuvres – allen voran Absurdität und Paradoxie – in der künstlerischen Logik Georg Herolds jeglichen thesenhaften Behauptungscharakter verlieren und bildhaft-skulpturale Handhabbarkeit gewinnen.

Georg Herold stellte Anfang der 1980er-Jahre zusammen mit Martin Kippenberger, Werner Büttner und Albert Oehlen radikal und sarkastisch Kunst und Kunstbetrieb in Frage und entwickelte in diesen Jahren ein Werk, das wie eine Dada-inspirierte Enzyklopädie des Provisorischen anmutet. „Seine Werke bestehend aus Materialien und Gegenständen des alltäglichen Gebrauchs wie Dachlatten, Ziegelsteine, Schnüren, Neonröhren, Draht und Pappe werden zu Konstellationen, in denen sich Absurdität, Ironie und eine präzise Vermessung unserer Wirklichkeit die Waage halten. Im bewusst beiläufigen Charakter der Arbeiten, die neben Malerei, Skulptur, Installation und Objekten auch Texte und Videoarbeiten umfassen, spiegelt sich dabei eine künstlerische Grundüberzeugung, die Prozessualität und genau kalkulierte Unfertigkeit als Strategien gegen den Mythos der Perfektion und des Meisterwerks setzt“, so Kurator Stefan Berg.

Diese Werkphase, die auch als eine persönliche Antwort auf die italienische Arte Povera Arte (der Begriff bedeutet übersetzt soviel wie Arme Kunst) zu begreifen ist, erweitert sich seit den frühen 90er Jahren durch die Einbeziehung von solch pikanten Materialien wie dem Kaviar. Für sein großflächiges Wandgemälde hat der Künstler nach eigener Aussage „schätzungsweise fünf Kilo Beluga-Kaviar“ vermalt. Fürwahr, ein nicht gerade billiges Vergnügen, mit dem Georg Herold auf seine Art den Kunstbetrieb beleuchtet. „Leute, die sich Kaviar leisten können, haben Geld. Warum nicht zur Abwechslung mal ein solches Kaviar – Bild an der Wand“. Tatsächlich ist der Kaviar natürlich eine – sehr ironische, sehr eigene – Reverenz an die Rasterpunktemalerei von Sigmar Polke, bei dem der Künstler von 1977 bis 1983 in Hamburg studierte. Bei Herold sind die Kaviarpunkte durchgezählt. Zudem weist es eine erstaunliche Farbigkeit auf.  

Im bewusst beiläufigen Charakter der Arbeiten, die neben Malerei, Skulptur, Installation und Objekten auch Texte und Videos umfassen, spiegelt sich dabei eine künstlerische Grundüberzeugung, die eine genau kalkulierte Unfertigkeit als Strategie gegen den Mythos der Perfektion und des Meisterwerks stellt.

Seit den 1980er Jahren gehört Georg Herold zu den Größen der deutschen Gegenwartskunst. 1947 wird er in Jena geboren. Er wächst in der ehemaligen DDR auf und absolviert zwischen 1969 und 1973 in Halle seine erste Ausbildung als Schmied. Die restriktive Enge im sogenannten Arbeiter und Bauernstaat ist für ihn unerträglich.  Ein Fluchtversuch aus seinem Heimatland endet im Jahr 1973 mit seiner Verhaftung. Georg Herold wird zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, doch die Bundesrepublik Deutschland (BRD) kann ihn schließlich freikaufen. In Westdeutschland lebt Georg Herold zunächst in München und schreibt sich 1977 an der Hamburger Kunstakademie ein. Bis 1983 studiert er hier bei Sigmar Polke. Seinem, wie er sagt, „Bruder im Geiste“  Er ist befreundet mit den Vertretern der Hamburger „Neuen Wilden“, namentlich Werner Büttner, Martin Kippenberger und Albert Oehlen, und verkehrt in den „wilden Kreisen“.

Ein echter „Neuer Wilder“ ist Georg Herold aber nur kurzzeitig. Bald emanzipiert sich der Künstler von dieser Strömung und entwickelt eine selbstständige, von Witz und kritischer Ironie geprägte Bildsprache. Seine Werke sind durch eine im Figurativen ebenso wie im Abstrakten verwirklichte, spannungsvolle Ästhetik bestimmt, sie charakterisiert oftmals eine die Grenzen der Gattungen überschreitende Kunstform. „Malereien und Arbeiten auf Papier gehören ebenso zum vielgestaltigen Oeuvre wie Installationen, Skulpturen und Objekte. Ungewöhnliche (Alltags-)Materialien wie Dachlatten, Knöpfe, Nylonstrümpfe oder Ziegel sind kennzeichnend und stehen oft in ihrer eigentlichen Kunstferne und Inhaltsleere in einem überzeugenden Spannungsverhältnis zu den nachdenklichen und komplexen Werkaussagen. Seit einigen Jahren beschäftigt er sich intensiv mit dem Werk Albrecht Dürers, welches einen großen Einfluss auf das Schaffen Herolds hat. In jüngerer Zeit widmet sich Georg Herold verstärkt auch der menschlichen Figur.

Seit den 1980er-Jahren gehört Georg Herold zu den prägenden Künstlerfiguren innerhalb der internationalen Gegenwartskunst und ist in nahezu allen richtungsweisenden Gruppenausstellungen der letzten Jahrzehnte, u.a. der documenta IX oder den Skulptur Projekten Münster 1997, vertreten gewesen.

Arbeiten des Künstlers, der seit 1999 eine Professur an der Düsseldorfer Kunstakademie bekleidet, finden sich international in renommierten Sammlungen und Museen. Zu nennen sind das Stedelijk Museum voor Actuele Kunst in Gent, das Frankfurter Städel Museum, das Amsterdamer Stedelijk Museum oder das Museu d’Art Contemporani de Barcelona. Georg Herold lebt und arbeitet in Köln.

BUS:

Georg Herold, Mandelbrot – Fragen Sie mal meine Mutter!,1993, Dachlatten, Baumwolle, Wolle, 210 x 260 cm, Stedelijk Museum, AB Amsterdam.

© VG Bild-Kunst, Bonn

Foto: Peter Köster

Georg Herold, Kulturgut, 1990, Bimssteine, Holzstühle, zersägt, montiert, 68 x 522 x 97 cm, Stiftung Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, © VG Bild-Kunst, Bonn 2017.

Foto: Peter Köster

 
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