Kontroverse um „Leaving Neverland“-Ausstrahlung (7. April) überschattet Ausstellung „Michael Jackson On The Wall“ in der Bundeskunsthalle
Von Peter Köster
Bonn. Die Bundeskunsthalle hält fest an der Ausstellung „Michael Jackson On The Wall“, die bis zum 14. Juli in Bonn gezeigt wird. „Wir ziehen das durch“, so Intendant Rein Wolfs. Gleichwohl hat die Kontroverse um die Dokumentation „Leaving Neverland“ über Michael Jackson und die darin erhobenen Vorwürfe des sexuellen Kindesmissbrauchs gegen ihn die Ausstellungsmacher nicht unberührt gelassen. Die Vorwürfe, die von den mutmaßlichen Opfern gegen Jackson erhoben werden, seien schockierend, so Rein Wolfs anlässlich der Medienkonferenz. Das große Unbehagen, mit dem diese bunte Pop-Ausstellung zur Unzeit in Bonn stattfindet, ist im Haus an der Museumsmeile deutlich zu spüren. „Wir sind alle sehr berührt von ‚Leaving Neverland‘. Wir sehen es als unsere Verantwortung an, die Thematik nicht auszuklammern“.
Absagen der Schau stand im Raum
Die Bundeskunsthalle sah sich mit Vorwürfen konfrontiert bis hin zur Forderung, die Schau abzusagen. Wolfs sieht sie jedoch als „Plattform, um über ethisch-moralische Fragen zu sprechen“. Gleichwohl räumt er ein, dass es Menschen gibt, die mit der Person Michael Jackson nun nichts mehr zu tun haben wollen. Und natürlich beschäftigt einen nach wie vor die Frage, ob man die Ausstellung nicht besser hätte absagen sollen: „Aber“, so der Bundeskunsthallen-Chef, „hier geht es um die Rezeption von Michael Jackson, darum, welchen immensen Einfluss seine Figur auf die Kunst hatte. Diesen Teil der Kulturgeschichte darf man nicht streichen.“ Dennoch nimmt das Haus das Thema Jackson sehr ernst. Neben diversen Diskussionsabenden steht Extra-Personal den Besucherinnen und Besuchern bei Fragen zur Verfügung. Damit will das Haus, wie es Wolfs formuliert, „für einen notwendigen Austausch sorgen, Kritik aufnehmen und auf sie reagieren. Am Tag nach der Ausstrahlung von „Leaving Neverland“ in Deutschland, soll am 7. April über den Film gesprochen werden, das soll Nähe zur Gesellschaft aufbauen.“
Andere Wahrnehmung der Ausstellung in Bonn
Die Ausstellung „Michael Jackson On The Wall“ wurde von der National Portrait Gallery London einige Zeit vor Erscheinen der Dokumentation entwickelt. Sie war von Juni bis Oktober 2018 dort zu sehen, bevor sie nach Paris reiste und nun Station in Bonn macht. Die Werke werden nach der Diskussion um „Leaving Neverland“ anders wahrgenommen als in den beiden vorausgehenden Ausstellungen in London und Paris. Darauf machte Nicholas Cullinan, Kurator und Direktor der National Porträt Gallery London, wo die Ausstellung das erste Mal gezeigt wurde, aufmerksam. Auch er ließ die Missbrauchsvorwürfe gegen Jackson nicht unkommentiert. Er bekennt, dass er Jacksons musikalisches Schaffen immer verfolgt habe. „Ich sehe die Ausstellung angesichts der erneuten Vorwürfe heute aber mit anderen Augen. Wir werden wohl nie die ganze Wahrheit über Michael Jackson erfahren.“
„Phänomen Jackson“ im Fokus
Wie zuvor Rein Wolfs, so rückte auch Nicholas Cullinan das „Phänomen Jackson“ in den Fokus. „Michael Jackson: On the Wall unternimmt eine vollkommen neue und ziemlich grundlegende Herangehensweise, indem sie die kulturelle Wirkung einer einzigartigen Gestalt quer durch die zeitgenössische Kunst hindurch erkundet.“ Alle darin vorkommenden Künstlerinnen und Künstler – obwohl verschiedenen Generationen zugehörig, aus den unterschiedlichen Teilen der Welt stammend und in verschiedenen Medien arbeitend, seien fasziniert von dem, was Jackson repräsentierte und was er Neues auf den Weg gebracht hat. Cullinan: „Die Ausstellung wird neue Möglichkeiten eröffnen, über Kunst und Identität nachzudenken, neue Dialoge zwischen Künstlern anregen und an Popkultur und Musik interessierte Zielgruppen ansprechen, sich mit der zeitgenössischen Kunst zu beschäftigen.“
Die Wahrnehmung des Jackson-Abbilds hat sich nach „Leaving Neverland“ unwiederbringlich geändert, dennoch geht Michael Jackson als eine der ersten globalen Ikonen des Medienzeitalters in die Geschichte ein. Der „King of Pop“ zählt zu den einflussreichsten Künstlern, die das 20. Jahrhundert hervorbrachte und dessen Wirkung im neuen Jahrtausend fortdauert. Seine Bedeutung in allen Bereichen der Popkultur – Musik, Musikvideo, Tanz, Choreografie und Mode – ist allseits bekannt, sein beträchtlicher Einfluss auf die zeitgenössische Kunst allerdings noch eine ungeschriebene Geschichte. Doch seit Andy Warhol 1982 sein Bild zum ersten Mal verwendete, machte auch die bildende Kunst Jackson zur meistdargestellten Figur der Medienwelt.
Einfluss auf zeitgenössische Kunst
Die Ausstellung untersucht diesen Einfluss von Michael Jackson auf die zeitgenössische Kunst. Sie umfasst mehrere Künstlergenerationen sowie alle Medien. Erstmals werden Werke von über 40 Künstlerinnen und Künstlern versammelt, die aus öffentlichen und privaten Sammlungen in aller Welt stammen, darunter auch Exponate, die eigens für die Ausstellung geschaffen wurden. Das große Potenzial, das zu einer so vielfältigen künstlerischen Auseinandersetzung mit der Figur Michael Jackson führte, ist dabei auch in der Ambivalenz seiner Person und in den Themen zu finden, die sich mit ihr verbinden. Fragen nach Geschlechterdiskurs und Sexualität, kultureller Identität und Aneignung sind nur einige, die sich in diesem Zusammenhang stellen und die von vielen Künstlern im Hinblick auf den Musiker und Popstar verhandelt werden.
Die Ausstellung versammelt Arbeiten sowohl von namhaften und etablierten als auch von jüngeren und (in Europa) bislang weniger bekannten Künstlerinnen und Künstlern, darunter Rita Ackerman, Dara Birnbaum, Candice Breitz, Marvin Gaye Chetwynd, Isa Genzken, Kai Guetta, David Hammons, Jonathan Horowitz, Gary Hume, Isaac Julien, David LaChapelle, Louise Lawler, Klara Lidén, Dawn Mellor, Catherine Opie, Yan Pei Ming, Grayson Perry, Paul Pfeiffer, Faith Ringgold, Kehinde Wiley, Andy Warhol, Jordan Wolfson, sowie vielen anderen. Einige der präsentierten Arbeiten weisen eine Doppelbödigkeit und Ambivalenz auf, die aktueller nicht sein könnte. Neben dem Werk von Jordan Wolfson sind dieses insbesondere die für die Bonner Ausstellungsstation hinzugekommenen Arbeiten von Paul McCarthy und Pamela Rosenkranz.
Hoffen auf viele Besucher
Auch eine Dekade nach seinem Tod – er wäre im August 2018 60 Jahre alt geworden – ist Jacksons Erbe stark wie zuvor: Seine Plattenverkäufe nähern sich der Milliardenmarke, seine Musikvideos werden weiterhin gesehen, seine Musik gespielt, seine weltweite Fangemeinde bleibt ihm treu. Das soziale und gesellschaftliche Phänomen Michael Jackson ist noch heute von Bedeutung. Michael Jackson ist die Ikone der Popmusik der letzten 50 Jahre. Es gibt wenige Musiker, die so einen Status erreicht haben. Diese enorme Wirkung zeigt sich auch in der bildenden Kunst, die auf ihn reflektiert, und diesen kulturellen Einfluss will die Bundeskunsthalle zeigen. „Michael Jackson: On the Wall“ ist eine Kunstausstellung, die als Solche so gesehen werden soll. Geht es nach dem Willen der Ausstellungsmacher, so sollen Fanbilder und Konzertvideos jetzt erst recht die Besucherinnen und Besucher anlocken. Wir dürfen gespannt sein.
BUS:
Bild 1: Michael Jackson. Equestrian Portrait of King Philip II 2010 oil on canvas 3510 x 3010 mm.
Foto: Peter Köster
Bild 2: Michael Jackson. Mark Ryden „The King of Pop“ Detail 1991-2018 Acrylic on panel with wood carving 2083 x 1880 mm.
Foto: Peter Köster
Bild 3: Michael Jackson. Installation von Paul McCarthy.
Foto: Peter Köster
Bild 4: Michael Jackson, 2004 by Maggi Hambling, oil on canvas
970 × 900 mm.
Foto: Peter Köster
Bild 5: Michael Jackson. Graham Dolphin Thriller (Black and White)
2017 acrylic on record cover 625 x 310 mm.
Foto. Peter Köster