(Blog 00426)
von Peter Köster
Berlin/Bonn. In der Bundeskunsthalle in Bonn war sie noch bis zum 16. Juli mit einer großen Werkschau vertreten. „Katharina Sieverding. Kunst und Kapital. Werke von 1967 bis 2017“ lautete der Titel ihrer grandiosen Ausstellung. Nun verlieh ihr die Akademie der Künste in Berlin den Käthe-Kollwitz-Preis. Mit der Auszeichnung ehrt die Akademie eine deutsche Künstlerin, die seit den 1960er Jahren das Zeitalter der großformatigen Fotokunst einleitete. Ihr Grundthema seit ihrer Zeit als Beuys-Schülerin ist die „Identität als Individualität und Dividualität und als kollektives Individuum“. Anlässlich der Preisverleihung zeigt das Haus Am Hanseatenweg 10 Tiergarten eine Ausstellung mit 20 Arbeiten von Katharina Sieverding im Format 252 x 356 cm, die zum Teil seit den 1990er Jahren im öffentlichen Raum großflächig plakatiert wurden, und neun wandgroßen Projektionen von jeweils 580 Fotomontage-Triptychen TESTCUTS 1966-2010.
Bekannt geworden ist die Künstlerin durch ihr Porträt, das sie seit den 1960er-Jahren einsetzte. Ab den 1970er-Jahren erarbeitete sie die großformatigen Multilayer-Montagen zur Weltlage und veröffentlichte diese 1977 erstmalig auf der internationalen documenta 6. Katharina Sieverding gehört zu den weltweit bekannten Künstlerinnen, die schon früh mit ungewöhnlichen Bildfindungen und einer innovativen medialen Kunstpraxis das künstlerische Potenzial der Fotografie erneuert haben. Dazu gehört die Einführung des Großformates, das bis dahin kein gängiges Format darstellte. Film und Fotografie standen dabei von Anfang an im Hauptfokus ihres Schaffens. Sieverding stellt grundsätzliche Fragen zu den künstlerischen, politischen und gesellschaftlichen Bedingungen für Produktionsprozesse und die Rezeption der Kunst. Sie vereint in ihrem Œuvre Aspekte des Archivierens und des kulturellen Gedächtnisses, Selbstreflexion, das Politische, die Provokation, das Analytische sowie den Einfluss der Massenmedien und neuester Technologien auf das Individuum.
Katharina Sieverding, in Prag geboren, lebt und arbeitet in Düsseldorf. Sie studierte zunächst an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg und arbeitete parallel als Assistentin von Fritz Kortner am Deutschen Schauspielhaus. Nach ihrem Wechsel an die Düsseldorfer Kunstakademie besuchte sie die Bühnenbildklasse von Teo Otto von 1964 bis 1967, wechselte dann bis 1971 zu Joseph Beuys und beendete ihr Studium 1974 in der Filmklasse von Ole John. Sieverding wurde einer feministischen Kunstszene zugeordnet, erweiterte den Differenzfeminismus jedoch stetig durch den ihr wichtigen „Transgenderaspekt“.
Von 1992-2010 engagierte sie sich an der Universität der Künste Berlin für den von ihr gegründeten Studiengang „Visual Culture Studies.“ Ihre internationalen Ausstellungsbeteiligungen umfassen u.a. die Biennale in Paris (1965, 1973), die Kasseler documenta 5, 6, 7 (1972, 1977, 1982), die Biennale in Venedig (1976, 1980, 1995, 1997, 1999), die Biennale in Sydney (1982), die Shanghai Biennale (2002) und Busan Biennale, Südkorea (2016). 2006 war sie bei „40jahrevideokunst.de“ in der Kunsthalle Bremen vertreten. 2004 erhielt sie den Goslarer Kaiserring. Peter Köster
Bilder:
Katharina Sieverding erläutert ihre Selbstporträtwand. Teil ihrer Ausstellung in der Bundeskunsthalle. Foto: Peter Köster
Selbstporträtwand von Katharina Sieverding. Foto: Peter Köster