„Jetzt! Junge Malerei in Deutschland“ in Bonn, Wiesbaden und Chemnitz

Von Peter Köster

Bonn/Wiesbaden/Chemnitz. Drei Museen, ein Thema: Das Kunstmuseum Bonn zeigt gemeinsam mit dem Museum Wiesbaden und den Kunstsammlungen Chemnitz eine Leistungsschau junger deutscher Malerei. Zu sehen ist die Ausstellung „Jetzt! Junge Malerei in Deutschland“ in Bonn bis zum 10. Januar 2020.

Führende Disziplin der Kunst

Nicht erst seit dem Aufbruch der Romantik gilt die Malerei in Deutschland als führende Disziplin der Kunst. Die Nation der Malerfürsten treibt bis heute die Entwicklung der Malkunst voran und ist mit Künstlern wie Gerhard Richter, Katharina Grosse, Neo Rauch oder Albert Oehlen weltweit angesehen. Nun tritt uns eine Zusammenschau junger Malerinnen und Maler insbesondere aus dem Umfeld der Akademiestandorte Berlin, Dresden, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Karlsruhe, Leipzig, München und Stuttgart gegenüber – die nächste Generation wichtiger Malerinnen und Maler ist mit mehreren Werken, opulenten Tafeln, Statements von Künstlerinnen und Künstlern wie Kennern der aktuellen Malereiszene in Deutschland präsent. Um diese Leistungsschau der Malerei zeigen zu können, wurde die zweite Etage des Kunstmuseums Bonn komplett leergeräumt und neu gestaltet. Die dort ursprünglich gezeigten Werke wandern vorübergehend ins Depot.

Mit dem Ausstellungsprojekt „Jetzt! Junge Malerei in Deutschland“ unternehmen die drei erwähnten Häuser gemeinsam mit den Deichtorhallen Hamburg den Versuch, den aktuellen Stand dieses Mediums zu bestimmen. „Ziel ist es, einen gültigen Querschnitt durch die junge, in Deutschland entstandene Malerei zu geben und dabei alle Erscheinungsformen des Kunstbereiches ohne konzeptuelle oder ideologische Einschränkungen zu berücksichtigen“, sagte Stephan Berg, Kurator und Intendant des Bonner Kunstmuseums. Er nannte drei zentrale Prämissen, die dieses Ausstellungsprojekt leiten: Erstens gehe es um die Malerei als Bild, also nicht um installative oder multimediale Erweiterungen des Mediums. Die zweite Prämisse betreffe das Alter der Teilnehmerinnen und Teilnehmer und konzentriere sich auf die Generation der seit den späten 1970er-Jahren geborenen Künstlerinnen und Künstler. Die dritte Voraussetzung betreffe den geografischen Rahmen der Ausstellung. Dass dieser sich auf Deutschland beschränkt, resultiert allein aus der Notwendigkeit, das Untersuchungsgebiet überschaubar zu halten“, so Berg.

Über 150 Ateliers besucht

Gezeigt werden rund 50 Werke von 53 Künstlerinnen und Künstlern. Im Kunstmuseum Bonn, dem Museum Wiesbaden und den Kunstsammlungen Chemnitz (Museum Gunzenhauser) werden alle teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler mit jeweils mindestens drei Arbeiten parallel ausgestellt. Eine Auswahl wird später in den Hamburger Deichtorhallen präsentiert. Für die Schau ausgewählt wurden die jungen Künstlerinnen und Künstler von Kuratoren aus Chemnitz, Bonn und Wiesbaden. Diese Museumsleute haben sich wie Trüffelhunde auf die Suche gemacht nach den interessantesten künstlerischen Positionen. Dafür waren erhebliche Recherchen notwendig, so Christoph Schreiber, Kurator Bonn. „Wir haben über 150 Ateliers besucht in Zweiergruppen, haben mit den Künstlerinnen und Künstlern gesprochen, uns die Werke angeguckt, haben diskutiert. Haben natürlich Kollegen gefragt: Kennen die jemanden, wen würden die empfehlen? Haben Professoren gefragt, Künstler gefragt. Ein großes, weites Netzwerk an Personen. Wir haben uns beraten lassen, recherchiert. Und über diese Recherchearbeit, oder eine Feldforschungsarbeit eigentlich, sind wir dann letzten Endes zu einer Auswahl von über 50 Positionen gekommen, die wir am Ende für relevant hielten.“ Alle Künstler sind zwischen Ende 20 und Anfang 40 und haben ihre Ateliers in Deutschland. Bestimmten Schulen sind sie nicht zuzuordnen: In zahlreichen Atelierbesuchen der Herausgeber wurden 53 Künstlerinnen und Künstler der Generation der heute Dreißig- bis Vierzigjährigen aus der gesamten Bundesrepublik ausgewählt, die die Malerei als Tafelbild weiterentwickeln.

Dörfliche Szenen aus Fischerhude

Im Kunstmuseum Bonn zeigt zum Beispiel ein realistisch-trister Simon Modersohn den Blick über den Gartenzaun: Der 29-Jährige mit dem berühmten Namen ist der Jüngste unter den Jungen der „Jetzt“-Ausstellung, erst vor einigen Wochen beendete er sein Studium. Seine Familie gehört zu jener von Otto Modersohn und Paula Modersohn-Becker. Die Bilder des jüngsten Malersprösslings zeigen unter anderem dörfliche Szenen aus Fischerhude – wo seine Familie das Otto-Modersohn-Museum betreibt – oder der Künstlerkolonie Worpswede, dort starb 1907 die bedeutende Expressionistin Paula Modersohn-Becker. Im selben Raum ein großformatiger Hannes Michanek: In der Mitte eine phantastische Erde, apokalyptisch, gerade noch so bevölkert.

Die Liebe in der digitalen Wirklichkeit

Geprägt wurden alle Künstler durch die Nachwende-Zeit und die Digitalisierung, mit der sie sich auseinandersetzen oder sich ihr gar widersetzen – wie die in Bonn geborene Vivian Greven: Sie malt flachbildschirmähnliche Hintergründe und montiert darauf Paare oder Körperteile kurz vor einer ersehnten Berührung. Greven bannt den Zustand zwischen Einsam- und Eins-Sein. Kurator Stephan Berg dazu: „Wir streicheln Oberflächen von Smartphones, wir digitalisieren uns durch Bilderwelten hindurch, die wir nie greifen können.“ Die Ausstellung zeige das große Thema der Liebe, der Erotik, der Berührung im Kontext der digitalen Wirklichkeit.

 

BUS:

Bild 1: Vivian Greven, Ais, 2019, Öl und Acryl auf Leinwand 180 x156 cm, Privatsammlung, Frankreich.
Foto: Peter Köster

Bild 2: Jana Schröder, Kadlites L26, 2019, Acryl und Graphit auf Leinwand, 240 x 200 cm; Courtesy die Künstlerin und Natalia Hug Gallery.
Foto: Peter Köster

 
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