(Blog 00427)
Ausstellung vom 7. Oktober bis 28. Januar im Mönchehaus Museum Goslar
Kassel/Berlin. Isa Genzken, die drei Mal zur Documenta in Kassel eingeladen wurde, zwei Mal zu den Skulptur Projekten in Münster, wird in diesem Jahr mit dem renommierten Goslarer Kaiserring geehrt.
Er ist ohne Übertreibung heute einer der bedeutendsten Kunstpreise in Deutschland und wird seit nunmehr 38 Jahren vergeben. Im Jahr 1974 entwickelte der Goslarer Unternehmer und Kunstliebhaber Peter Schenning die Idee, die mittelalterliche Stadt Goslar an die moderne Kunst heranzuführen. Im gleichen Jahr gründete er den Verein zur Förderung moderner Kunst. Der Verein hatte es sich zum Ziel gesetzt, mit der Stiftung eines internationalen Preises für herausragende Positionen der zeitgenössischen Kunst eine Verbindung zwischen der reichen kulturellen Vergangenheit Goslars und der Gegenwart herzustellen. 1975 erhielt der englische Bildhauer Henry Moore den ersten Kaiserring, einen in Gold gefassten, glasklaren Aquamarin, in den das Siegel Heinrich IV. eingraviert ist. Entworfen hat ihn der Worpsweder Goldschmied Hadfried Rinke. Jedes Jahr wird ein Unikat für den jeweiligen Preisträger angefertigt.
Die Liste der Preisträger in der nunmehr 38jährigen Geschichte des Kaiserrings liest sich ohne Übertreibung wie ein „Who is who“ der zeitgenössischen Kunst. Dass es einer mittelalterlichen Kaiserstadt im Harz gelungen ist, Mitte der 70er Jahre einen der bedeutendsten Kunstpreise in Deutschland ins Leben zu rufen und bis heute das Renommée des Preises ohne Unterbrechung zu erhalten und weiterhin auszubauen, verdient Respekt. Nur einige Namen aus der Liste der Preisträger, die dies verdeutlichen. Rosemarie Trockel 2011, Jörg Immendorff 2006, Katharina Sieverding 2004, Sigmar Polke 2000, Bernd & Hilla Becher 1994, Anselm Kiefer 1990, Gerhard Richter 1988, Christo 1987, Georg Baselitz 1986, Günther Uecker 1983, Joseph Beuys 1979, Max Ernst 1976.
Und nun ganz aktuell also Isa Genzken. Fast möchte man sagen: Endlich. Denn schließlich ist die 1949 in Bad Oldesloe geborene Genzken eine der weltweit angesehensten Künstlerinnen überhaupt. 2007 vertrat Isa Genzken, die an der Kunstakademie Düsseldorf bei Gerhard Richter studierte (und mit ihm elf Jahre verheiratet war), Deutschland bei der Biennale in Venedig. Damals rüstete sie die umstrittene 30er-Jahre-Architektur des deutschen Pavillons demonstrativ ein und hängte eine orangefarbene Plastik-Gitterfolie davor. Mit Richter entwarf sie 1992 die U-Bahnstation König-Heinrich-Platz in Duisburg und setzte dort Email- und Edelstahlplatten als mehrfarbige Verkleidung der Wandflächen ein.
Für ihre erste öffentliche Außenskulptur in den USA installierte Genzken 2009 eine acht Meter große Rose vor dem New Museum in New York. Ihre erste Einzelausstellung folgte 2013 im New Yorker Museum of Modern Art. Auftritte in den Kunstmuseen Chicago und Dallas schlossen sich an. Erinnert sei aber auch an ihre grandiose Schau in der Bundeskunsthalle in Bonn. Das erste Werk, dem der Besucher in der neuen Ausstellung der Bundeskunsthalle begegnete, war eine überdimensionale bunte Comicfigur. Sie schwebte zwischen engen Häuserzeilen und wurde dort von Menschen und Seilen in der Balance gehalten. Die Szene zeigte als Modellbau eines von 35 Außenprojekten (20 davon wurden realisiert). Die Ausstellung in Bonn baute auf dem Projekt „All the World’s Futures“ von der Biennale in Venedig auf, wo bereits 23 Modelle von Außenskulpturen zu sehen waren.
Mit oftmals überraschenden Eingriffen und Materialien schafft Isa Genzken Perspektivwechsel im öffentlichen Raum, die den Menschen als Bezugssystem nehmen und ihm neue Möglichkeiten geben, einen speziellen Ort zu erfahren. Die Irritation wird effektvoll in Szene gesetzt und der städtebaulichen Situationen der kritische Spiegel vorgehalten, aber fast immer ist das Augenzwinkern zu spüren, mit dem die Bildhauerin an ihr Vorhaben herangegangen ist.
Isa Genzken ist eine Künstlerin mit einem spektakulären Werk, das von seinen frühen Anfängen in den 1970er Jahren bis heute nicht aufgehört hat, die Kunstwelt in Erstaunen zu setzen, weil es Kunstrichtungen begründet und Maßstäbe formuliert hat. Und weil es, gespeist von einer beeindruckenden Schöpferkraft, sich nicht in einer vorhersehbaren, repetitiven Signatur erschöpft, sondern immer wieder neu erfindet. Nicht selten in dialektischer Bewegung.
In ihrer Begründung schreibt die Kaiserring-Jury: „Seit über 30 Jahren führt Isa Genzken den internationalen Diskurs der Bildhauerei mit an. Ihre Klarheit wie ihre Freiheit im Umgang mit Formen und Materialien, die Egalität der Motive und Objekte bezeugen ihre komplexen Reflexionen der tiefgreifenden Veränderungen im Umgang mit Bildern in den letzten Jahrzehnten. Die permanente Transformation ist bei ihr Zustand, die Materialität dialektisch. Ihr scharfer Realismus führt uns die Umbrüche, Gegensätze, die Gewalt und Brutalitäten unserer Gesellschaften klar vor Augen. Dabei ist es für Genzken grundlegend, dem Betrachter auf Augenhöhe zu begegnen. Ungeschönt, punkig, aber nie ohne Humor ermöglichen ihre Fotografien, Installationen und Skulpturen uns, der Wahrheit ein Stück näher zu kommen.“
Isa Genzken lebt und arbeitet in Berlin. Sie gilt heute als eine der wichtigsten und einflussreichsten deutschen Künstlerinnen der Gegenwart. „Ich freue mich über diesen bedeutenden Preis und fühle mich wirklich sehr geehrt“, äußerte sich die Preisträgerin des Goslarer Kaiserrings, den sie am 7. Oktober 2017 in Goslar entgegen nehmen wird. Bis zum 28. Januar zeigt das Mönchehaus Museum Goslar die Ausstellung: „Isa Genzken – Kaiserringträgerin der Stadt Goslar 2017“. Peter Köster