Hommage an den großen Magier Jannis Kounellis im MKM Duisburg

Von Peter Köster

Duisburg. Wenn Künstlerheroen à la Anselm Kiefer, Bernar Venet, Michael Sailstorfer, Ayse Erkmen, Sun Xun und Timm Ulrichs, nicht zu vergessen, Markus Lüpertz, gemeinsam einen Ausstellungsraum aufsuchen, muss der Anlass schon etwas ganz besonderes sein. In der Tat: Objekt für das illustre Stelldichein war das MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst in Duisburg, das unter dem Ausstellungstitel „Kunst & Kohle“ bis zum 28. Oktober eine Hommage an Jannis Kounellis zeigt. Einige dieser genannten Namen waren enge Weggefährten des vor einem Jahr verstorbenen griechischen Konzeptkünstlers, nahmen dessen geistige künstlerische Impulse auf und tragen sie in ihren Werken weiter. Gegenwärtig wird Kounellis auf der Art Basel präsentiert. Dort zeigt ihn eine New Yorker Galerie mit einer monumentalen Installation mit schwarzen Anzügen.

Raumgreifende Installationen

Im Zentrum der Ausstellung im MKM stehen die Arbeiten von Jannis Kounellis. Für ihn zählte neben Stahl, Stein und Stoff vor allem Kohle zu den grundlegenden Elementen, aus denen er seine raumgreifenden Installationen schuf. Kounellis Inszenierung des „armen Material“ ist reich an Assoziationen und gespeicherter Geschichte. Immer wieder hat der Arte Povera-Pionier Kounellis Kohle und Stahl für seine Installationen und Raum-Inszenierungen verwendet und sich mit der rohen Materialität, archaischen Kraft und dem Reichtum an Assoziationen auseinandergesetzt. „Eisen und Kohle stellen für mich die Materialien dar, die am besten die Welt der industriellen Revolution und damit die Ursprünge der heutigen Kultur widerspiegeln“. Dieses Zitat von Jannis Kounellis (1936–2017) aus dem Jahr 1989 bringt die Ausstellung auf den Punkt, mit der sich das MKM am städteübergreifenden Projekt „Kunst & Kohle“ der RuhrKunstMuseen beteiligt.

Pure Materialität und komplexer Mythos

„Die pure Materialität, der komplexe Mythos, das Konzept, das leichte Spiel, die tiefgründige Vielschichtigkeit der Erscheinung – all das zeigt diese Ausstellung und ehrt damit den großen Magier Jannis Kounellis“, so die Kuratoren Ferdinand Ullrich und Walter Smerling. Während der Vorbereitung der Schau verstarb Jannis Kounellis. Aus diesem Grund haben die Kuratoren die Präsentation seines Werks im Sinne einer Hommage erweitert und stellen es Arbeiten von sechs Künstlern gegenüber, die geistige Impulse von Kounellis aufnehmen und weitertragen und zum Teil Weggefährten waren. Ayşe Erkmen, Anselm Kiefer, Michael Sailstorfer, Sun Xun, Timm Ulrichs und Bernar Venet. Auch sie greifen Kohle und Stahl als Arbeitsmaterial, Motiv und Inhaltsträger auf und zeigen Werke, die gezielt für die Ausstellung ausgewählt oder eigens neu geschaffen wurden. Wie kein anderer, so Kurator Ferdinand Ullrich, habe Jannis Kounellis das Material Kohle mit Bedeutung aufgeladen. „Vergangenheit und Gegenwart hat er in seinen höchst theatralischen Inszenierungen verbunden, in dem er Spuren gelegt hat. Jannis Kounellis hat neben der Kohle auch auf andere „arme“ Materialien und Fundstücke zurückgegriffen. Hartes bzw. anorganisches Material – Kohle, Stahlplatten, Stahlträger – trifft dabei auf organische Werkstoffe wie Jute, Filzdecken oder Hanfseile. Auch Feuer hat der Künstler früh in seine Werke integriert, als Symbol der Erkenntnis, des Lebendigen, aber auch der Zerstörung. Diese Spannweite lässt sich in der Ausstellung entdecken, die zudem weitere künstlerische Positionen zeigt. Dazu gehört das Monumentalwerk von Anselm Kiefer: „Klingsors Garten“. Kiefer (* 1945, lebt und arbeitet in Paris), stieß, wie er in einem kurzen Interview verriet, 1986 erstmals persönlich auf Jannis Kounellis. Das ganze geschah im Rahmen einer zweitägigen Künstler-Klausur in der Kunsthalle Basel, die später in Katalogform öffentlich wurde. Die Erinnerung an diese Begegnung hat ihn bewogen, für die Ausstellung einen Raum mit dem Titel zu schaffen, der die symbolische Reise zwischen Vergangenheit und Zukunft thematisiert. Aus dem Boden, der vor rund 300 Millionen Jahren die Steinkohle hat entstehen lassen, lässt Kiefer Sonnenblumen wachsen, Symbol für stetiges Vergehen und Werden. Das Ende einer Ära wird zur Voraussetzung für Neues.

Museum in Schweißwerkstatt verwandelt

Kohle wird zum Arbeitsmaterial, Motiv und Inhaltsträger. So auch beim französischen Bildhauer und Konzeptkünstler Bernar Venet. Venet (*1941, lebt und arbeitet in Le Muy, FR und New York) war Kounellis seit den 1970er Jahren freundschaftlich verbunden und gehört bis heute auch zu seinen Sammlern. Die Arbeit mit Stahl, Kohle und Feuer sowie das Performative verbindet das Werk der Künstler. Venets zentrale Arbeit für die Ausstellung indes entstand erst am Eröffnungs-Abend, im Rahmen einer Performance des Künstlers, als er das Museum in „eine laute, funkensprühende Fabrik“ (Venet) verwandelte. Ein Teil des Museums wurde für kurze Zeit zu einer Schmiede/Schweißwerkstatt.

Ein weiterer Konzeptkünstler, der Deutsche Timm Ulrichs (*1940, lebt und arbeitet in Berlin und Hannover), thematisiert die (selbst)zerstörerische Kraft, die der Kohle innewohnt, und „befreit“ den Stoff, indem er ihn in Kunst überführt. Für die Ausstellung hat er seine performative Installation „Kohleofen brennbar“ inszeniert. Das Paradoxon des Ofens, der sich selbst verbrennt, ist in der Ausstellung als Objekt und im Video zu erleben und wird zur Finissage als Performance aufgeführt.

Die türkische Künstlerin Ayşe Erkmen (*1949, lebt und arbeitet in Istanbul und Berlin) reiht Leuchtstoffröhren, Heizstrahler und Kohle-Elektroden zu einer linearen Konstuktion und schafft „ein Werk aus Licht und Wärme über die Bedingungen von Licht und Wärme, die materielle und geistige Energie, die uns die Kohle schenkt“, wie Kurator Ferdinand Ullrich wissen ließ. „Über den Mythos Technik ruft sie den antiken Prometheus-Mythos auf, indem sie Schrift in die Kohle-Elektroden graviert: Prometheus; – Er brachte uns – das Feuer. – Und so können wir – die Zukunft – nicht mehr sehen. – Wir sind glücklich.“

Tränen aus Kohle gepresst

Michael Sailstorfer (*1979, lebt und arbeitet in Berlin) zelebriert ironisch den Abschied von der Steinkohle mit einer Maschine, die aus Kohle gepresste Tränen erzeugt und zugleich in einem Ofen in Form eines Röhrenfernsehgerätes symbolisch verbrennt. Der Stoff erzeugt seinen eigenen Mythos. Der chinesische Medien-Künstler Sun Xun (*1980, lebt und arbeitet in Peking) macht in seinem Werk darauf aufmerksam, dass die von Kounellis im Material beschworene Zivilisation und Kultur des Industriezeitalters auch heute noch ihren Tribut fordert. Sein Animationsvideo kommt scheinbar leicht daher, während es inhaltlich zutiefst ernst ist und die schlechten Bedingungen der Kohleförderung in China thematisiert, die immer wieder Opfer fordern.

Die Ausstellung „Kunst & Kohle“, die von der Stiftung für Kunst und Kultur, Bonn, konzipiert wurde, „ist nicht nur eine Hommage an den großen Konzeptkünstler Jannis Kounellis, sondern zugleich eine Hommage an die Heimatregion von Kohle und Stahl und an die Übergabe des Staffelstabs an die Kunst“, so Kurator und MKM-Direktor Walter Smerling.

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Außenansicht MKM Museum Küppersmühle in Duisburg.
Foto: Peter Köster

„Klingsors Garten“, 2018 Anselm Kiefer.
Foto: Peter Köster

Jannis Kounellis Ohne Titel (Großes Lazarett), 2000.
Foto: Peter Köster

Timm Ulrichs, Kohleofen (brennbar).
Foto: Peter Köster

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