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Georg Baselitz. Heulende Hunde. Druckgrafik 1964–2017
Museum Morsbroich zeigt umfangreiche Werk-Schau von Georg Baselitz – Eigene Bestände und neueste Arbeiten des Künstlers werden bis zum 4. März präsentiert
Von Peter Köster
Leverkusen. „Man sollt keine schlafende Hunde wecken“. Die Redewendung geht zurück auf das Sprichwort „Schlafende Hunde soll man nicht wecken“. Damit ist gemeint, dass man Probleme, die sich erledigt haben, oder einen Streit, der beigelegt wurde, nicht wieder aufgreifen sollte. Man sollte Dinge ruhen lassen und besser nicht daran rühren. Man soll keine Aufmerksamkeit erregen. Doch, halt, genau diese Aufmerksamkeit ist bei der aktuellen Ausstellung „Georg Baselitz. Heulende Hunde“ im Museum Morsbroich, Leverkusen geradezu Programm. Die Grafiketage des Hauses zeigt Baselitz bis zum 4. März 2018.
Georg Baselitz entdeckte bereits 1964 die Druckgrafik für sich, und aus dieser Frühzeit stammt auch die Titel gebende Radierung „Heulende Hunde“ (1964). Von Anfang an erwies sich der Künstler als exzellenter und experimentierfreudiger Grafiker. Er testete die technischen und gestalterischen Möglichkeiten der Druckgrafik konsequent aus und wurde zum Wegbereiter einer Renaissance des Holzschnitts in den 1980er Jahren. Davon künden seine Radierungen, seine ein- und mehrfarbigen Holzschnitte und seine großformatigen Linole. Er testete die Möglichkeiten der Druckgrafik konsequent aus, erweiterte sie und bewerkstelligte es immer wieder, „mittels konventioneller Techniken die Bildkonventionen zu sprengen“, so Kurator Fritz Emslander. Häufig im Rückgriff auf Motive seiner Zeichnungen und Gemälde entsteht im Lauf der Jahrzehnte und weiterhin ein großes und enorm vielfältiges, eigenständiges druckgrafisches Œuvre.
Von Anfang an hielt Baselitz die Grenzen zwischen den verschiedenen druckgrafischen Verfahren ebenso offen, wie er innerhalb seines Gesamtwerks Wechselwirkungen zwischen Grafik und Malerei, Grafik und Zeichnung, Grafik und Skulptur für sich zu nutzen wusste und dabei immer die spezifischen Bedingungen des jeweiligen Mediums mit reflektierte. „Mein Hauptanliegen ist, dass, wenn sich in meiner Arbeit an Bildern und Skulpturen und Zeichnungen etwas verändert hat oder wenn sich eine neue Idee ergeben hat, ich diese benutze und in einer grafischen Technik ausführe als Korrektur oder als Verdeutlichung, als Ausrufezeichen,“ beschrieb Georg Baselitz 1989 sein Werk. Die Druckgrafik ist für ihn der Ort, den er trainiert hat an Bildern und Zeichnungen. Diese zu einer gültigen Form zu bringen: „eine Linie zu schneiden, die ich selber noch nicht gesehen habe“, so Georg Baselitz. In seinen Grafiken meidet die Linie den beschreibenden Charakter der Zeichnung und sucht immer wieder das Divergierende und Dissonante. Das „Ausweichen der Radiernadel vor der definierenden Linie“ ist ein Prinzip der grafischen Arbeit bei Baselitz, nach dem analog auch das Hohleisen bei der Bearbeitung des hölzernen Druckstocks verfährt.
„Solange man auf Techniken angewiesen ist, und das ist man ja immer, besonders als Grafiker, unterliegt man der Verführung der Technik, dieser handwerklichen Fertigkeit […]. Da wird es ganz wichtig, dass man anfängt, ständig zu kontrollieren und darüber nachzudenken, was man tut. Wenn man nicht nur eine simple Reproduktion schafft von dem, was man als Zeichnung entwickelt hat, sondern wenn der Holzschnitt das Ergebnis oder der Schlussstrich einer Zeichnung oder eines Bildes sein soll, dann muss man ja in einer neuen Sprache denken, und da ist es ganz wichtig, dass man enorm diszipliniert ist und sich dadurch selber Barrieren aufbaut. Das sieht dann vielleicht hilflos aus, aber die Ergebnisse sind richtiger.“
Die aktuelle Schau ist bereits die vierte Baselitzausstellung im Museum Morsbroich. Für die Ausstellung werden die herausragenden Eigenbestände der 1960er bis 1990er Jahre ergänzt durch eine zusammen mit Georg Baselitz getroffene Auswahl von Werken aus der jüngeren und aktuellen Druckgrafik-Produktion. Das Haus besitzt eine der umfangreichsten Baselitzsammlungen weltweit. Die erste Werkschau des Künstlers gab es hier 1974, als er schon begonnen hatte, seine Motive auf den Kopf zu stellen und somit sein unverwechselbares Markenzeichen kreierte. Von Anfang an nahm er eine Sonderstellung ein, weil er sich als Ex-DDRler weder dem dort beheimateten Realismus, noch dem Informel des Westens anschließen mochte. Seit dem ersten Besuch in Leverkusen gab es engen Kontakt. Bis Ende der 80er Jahre wurde viel angekauft, und Baselitz schenkte dem Museum viele Probedrucke, wertvolle Unikate. An einer aufgereihten Serie von Holzschnitten lässt sich nachvollziehen, wie der Künstler mit den Druckstöcken und unterschiedlichen Einfärbungen experimentierte.
BUS
Georg Baselitz
Der Berg, 1991 Farbholzschnitt auf weißem Japanpapier, 100 x 70 cm
Museum Morsbroich, Leverkusen © Georg Baselitz 2017
Georg Baselitz
Knabe David, 1998 (1999) Farbradierung, auf weißem Kupferdruckbütten,
43,6 x 32,4 cm Museum Morsbroich, Leverkusen © Georg Baselitz 2017
Georg Baselitz
Partisan (II), 1966 Farbholzschnitt auf elfenbeinfarbenem Ingresbütten, 36,2 x 30 cm Museum Morsbroich, Leverkusen © Georg Baselitz 2017
Georg Baselitz
Heulende Hunde, 1964 Ätzradierung und Vernis mou auf Zink, auf Kupferdruck-Bütten, 24,7 x 30,2 cm Museum Morsbroich, Leverkusen
© Georg Baselitz 2017; Foto: farbanalyse, Köln