Frauenmuseum versammelt gründer- und neuzeitliche Bauhäuslerinnen
Von Peter Köster
Bonn. „100 Jahre Bauhaus“ und da will auch das Frauenmuseum (FM) eifrig am Mythos mitwerkeln. Da aber auch nach fast 40 Jahren die Politik des Hauses der holden Weiblichkeit folgt, stehen natürlich die Frauen im Blickpunkt. „Innenräume“ nennt sich die Schau, die bis zum 22. November gründer- und neuzeitliche Bauhäuslerinnen versammelt. Die Ausstellung ist Teil des laufenden Projekts „Frauenpolitischer Aufbruch“, das im Rahmen von „100 Jahre Bauhaus im Westen“ gezeigt wird.
„Innen Räume“ erzählt die Geschichte vom Bauhaus Design der frühen Jahre bis zu den Architektinnen von heute. Die Schau auf der ersten Etage des Hauses untergliedert sich in einen historischen, architektonischen und künstlerischen Bereich. Der Bauhaus-Parcours startet historisch. Auf Texttafeln und Bildnisssen werden bekannte Bauhäuslerinnen wie Anni Albers, Marianne Brandt, Ise Gropius, Licia Moholy, Gunta Stölzl u.a. vorgestellt. Auch wird an die weitaus unbekannte Maria Rasch erinnert, eine Bauhausstudentin der ersten Stunde, die den Geschäftskontakt für eine erste serielle Kollektion der Bauhaus-Tapeten vermittelte. Else Mögelin war eine weitere Bauhausstudentin, deren Textilarbeiten durch ihre Nachfolgerin, der Weberin Brigitte Schirren, erlebt werden können. In diesem Geist des Weberinnen- und Innenraum-Designs hat die heutige Bauhäuslerin Petra Genster ihren „Paravent in den Raum denken“ entwickelt.
Ohne NRW-Bauhaushochburg Krefeld
Die jungen Frauen vor 100 Jahren strebten ans Bauhaus, um eine neue Welt mit zu gestalten. Doch das Versprechen der Gleichheit wurde enttäuscht. Die Überzahl der Studentinnen veranlasste Bauhaus-Gründer Walter Gropius und andere Bauhausmeister, den Frauen den Zugang zu ihren Werkstätten zu erschweren und sie in die Weberei, die sogenannte Frauenklasse abzudrängen. Frauen sollten keine Architektinnen werden. In der Folge wandten sich viele der Studentinnen den Innenräumen zu. Dieser Weg der Studentinnen, die Innenräume zu gestalten, ist für das Ausstellungskonzept im FM evident. Studierende der Hochschule in Mönchengladbach (Textil) und Detmold (Möbel) sind mit innovativen Werkstücken beteiligt. Erlaubt sei in diesem Zusammenhang die Frage, warum die Bonner Werkmeisterinnen, die NRW-Bauhaushochburg Krefeld in ihrer Projektplanung so einfach übersehen haben. Immerhin gilt die niederrheinische Metropole auch als die Wiege der Bauhäuslerinnen. Erinnert sei an die Textilkunst.
Breuer-Sessel in Wolle eingewebt
Im Bereich „Kunst – konkrete Kunst“ fällt zunächst von Kirstin Arndts raumgreifende Arbeit, bestehend aus Beton und Metallobjekten, ins Auge. Vera Röhm, eher bekannt für Werke in Fabrikhallenformaten, hat ihr Augenmerk auf kompakte Objekte und Kunst am Bau gelegt. Mehr Malerisches zeigt die Installation von Lilah Fowler. Das Bauhaus-Thema frontal angegangen ist Judith Wanzer, die ihren Marcel Breuer-Sessel kurzerhand in Wolle eingewebt hat. Eine Anspielung auf Oskar Schlemmers berühmten Ausspruch: „Wo Wolle ist, ist auch ein Weib, das webt und sei es nur zum Zeitvertreib.“ Beeindruckend auch das raumgreifende Kachel-Wandprojekt von Annette von der Bey sowie das Gemeinschaftswerk von Valérie Stohrer und Daniela Flörsheim, in dem Malerei und Textilkunst zum Schauobjekt werden. Strahlenförmig hervortretende Fäden in einem deckenhohen Wandbild treffen auf einen überdimensionalen Strickschal, der sich über einen Stuhl auf den Boden ergießt. „Gradus per gradus“ (Schritt für Schritt) nennt Lena Reifenhäuser ihre Leinwand-Arbeit. Sie verschmilzt den puristischen und geradlinigen Klang der Bauhaus-Epoche mit einer feinstrukturigen, verspielten Linienführung. Bertamaria Reetz überrascht mit einem blauen monochromen Wandgemälde und einer Raum-Installation, bestehend aus Acryl, Holz und Metall, in der sie punktgenau die Farben des Bauhauses aufgreift. Zu erwähnen wäre auch die Raum-Installation „Buchhaus“, ein zwei Meter großes begehbares Buch von Sidika Kordes. In architektonischer Anlehnung an das von Walter Gropius entworfene Bauhaus-Schulgebäude „Ikone der Moderne“ ist die Außenfassade durchbrochen von Fenstern. Die Jahreszahlen auf ihnen teilen die 100 Jahre Bauhaus in politisch bedeutsame Abschnitte ein. Sie lassen sich öffnen, geben Einblick in den Innenraum des Buches.
Hommage an Ida Kerkvoius
Als Hommage an die Bauhaus-Künstlerin Ida Kerkvoius versteht Corinna Heumann ihre Arbeit „Interieur“. Es ist eine Adaption des 1934 von Kerkvoius gemalten Bildes. Ida Kerkvoius verbrachte die Wintersemester im Bauhaus in Weimar in den Jahren 1920 bis 1923. Der Parcours erschließt ferner Hausobjekte und Hausgruppen von Ingrid Grießer, Maria Pudelko, Maria Maier und Ulrike Reutlinger sowie Fotos von Petra Strauch. Lampen und Leuchtobjekte bis zu Porzellan von Louise Rietvink runden schließlich das breite Spektrum der künstlerischen Bauhaus-Aneignung ab. Zu guter Letzt sei noch auf das „Experimentierfeld“ in der Raummitte hingewiesen. Als Nachbildung wird hier das Hausinnere des Hauses am Horn (1923 in Leipzig), das als Musterhaus im Rahmen der ersten Bauhaus-Ausstellung gebaut wurde, abgebildet. Möbliert mit Bauhausmöbeln frei nach Alma Buschers Kinderzimmer und Lilly Reichs und Benita Koch-Ottes Ideen: „Eine Wohnung für eine WG, Familie ist WG.“
Architektur von Weltrang
„100 Jahre Bauhaus“ (1919-2019) ist nicht nur Anlass zu einem Rückblick auf etwas, was vor 100 Jahren gewesen ist, sondern ein Zeitraum bis heute. In diesem haben Frauen das, was damals begonnen wurde, aufgenommen, weiterentwickelt und verändert. Frauen gestalten Lebensräume entscheidend mit. Das revolutionäre am Bauhaus und dem Neuen Bauen war, dass Frauen diese an sich Selbstverständlichkeit erstmals umsetzen konnten. Architektinnen konnten Frauen am Bauhaus nicht werden. Frauen wurden Innenarchitektinnen. Ganz anders heute: 2019 sind viele der aufregendsten Architekturen der Welt von Frauen. Erinnert sei nur an Zahad Hadid, (1950 bis 2016) und ihr Festspielhausentwurf „Solitär“ für die Bonner Rheinaue. Leider blieb es beim Entwurf der preisgekrönten Designerin. Auch zu nennen Dorte Mandrun, Laura Peretti, Bettina Lange-Hecker, Jeanne Ganng, Marcelle Hansch, Liz Oabu, Ellen van Loon, die weltweit eine hohe Reputation besitzen.
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Bild 1: Raumgreifendes Wandprojekt von Annette von der Bey.
Foto: Peter Köster
Bild 2: Valérie Stohrers deckenhohes Gemälde in Korrespondenz mit überdimensionalen Strickschal.
Foto: Peter Köster
Bild 3: Raum-Installation „Buchhaus“, ein zwei Meter großes begehbares Buch von Sidika Kordes.
Foto: Peter Köster
Bild 4: Installation und Gemälde von Bertamaria Reetz.
Foto: Peter Köster
Bild 5: Eingewebter Marcel Breuer-Sessel von Judith Wanzer.
Foto: Peter Köster