Palermo-Raum im Bonner Kunstmuseum und „Blinky“- Schau in Wiesbaden
Von Peter Köster
Bonn/Wiesbaden. Blinky Palermo (1943-1977, bürgerlicher Name Peter Heisterkamp) wäre in diesem Jahr 75 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass widmen ihm gleich zwei Kunsthäuser eine Ausstellung. Das Kunstmuseum Bonn hat dazu einen Palermo-Raum eingerichtet, in dem bis 7. Oktober eine Auswahl von seinen Arbeiten zu sehen ist. Mit einer „Hommage à Blinky“ ehrt das Museum Wiesbaden den Künstler bis zum 28. Oktober mit einer Schau. Die in Bonn gezeigten Werke umspannen die Zeit der Ende der 1960er-Jahre bis zum Jahr 1973. Es sind Wandmalereien und Zeichnungen, die in Galerien und Ausstellungshäusern entstanden sind. Die Arbeiten wurden als zeitlich begrenzte Interventionen später überstrichen.
Palermo wurde mit seinen minimalistischen Druckgrafiken bekannt. Die abstrakten Werke sind, vereinfacht gesagt, eine Kombination aus konstruktivistischen, oft minimalistischen Bildelementen und Farbfeldmalerei. Dazwischen gibt es bewusst Ungenauigkeiten, ausfasernde Ränder und immer wieder einen unglaublich feinen Humor. In Wiesbaden werden zudem die letzten beiden bedeutenden Werke gezeigt, die vor dem unerwarteten frühen Tod von Palermo entstanden sind. Einige herausragende Druckgrafiken ergänzen diese Präsentation. Begleitend dazu wurde im Projektraum eine von Palermo im Jahr 1969 konzipierte, bislang noch nie installierte Tuchverspannung realisiert.
Bürgerliche Name Peter Heisterkamp
Palermo gilt als eine der wichtigsten Künstlerfiguren Deutschlands der späten 1960er- und 1970er-Jahre. International gefragt, entwickelte der junge Künstler in kürzester Zeit ein wegweisendes Œuvre, das bis heute im Bereich der Grafik, der Bildobjekte aber auch der konzeptuellen Installationen als Ausgangspunkt und Anregung zahlreicher künstlerischer, wie auch theoretischer Diskurse gesehen werden kann und muss. Blinky Palermo studierte an der Düsseldorfer Kunstakademie, war Meisterschüler von Joseph Beuys und Biennale- und Documenta-Teilnehmer. Die Sache mit dem amtlichen Namen hatte übrigens sein Mentor Joseph Beuys schnell als Handicap entlarvt. Aus dem Knaben Peter Schwarze, der 1943 in Leipzig auf die Welt kam, wurde per Adoption noch im Geburtsjahr Peter Heisterkamp, später mit Wohnsitz in Münster, und 1962 der Düsseldorfer Kunstakademie-Student, dem Beuys attestierte: „Mit dem Namen Heisterkamp kannste nie was werden als Künstler.“ Also her mit dem Pseudonym Blinky Palermo. In seinem Auftreten mit Sonnenbrille und Lederjacke sahen seine Düsseldorfer Kommilitonen eine vage Ähnlichkeit mit dem mafiösen US-Boxmanager Frank „Blinky“ Palermo. Folglich kassierten sie seinen behäbig klingenden bürgerlichen Namen und tauften ihn neu: Seine Freunde sagten von nun an „Blinky“ zu ihm. Und „Palermo“ wurde zu seinem Künstlernamen.
Prozesshaftigkeit und Wandelbarkeit
Ab 1970 begann der 27-jährige Palermo die für ihn typische wie einfache energische Bildsprache in das „demokratische“ Medium der Druckgrafik zu übertragen. Mit dem Siebdruck überführte er seine prototypischen Farb-Formen in eine andere Materialität. Palermo verwandelt spielerisch sein Vokabular elementarer Formen und Farbflächen, setzt diese in neue Beziehungen zueinander und zum Bildgrund, wägt Harmonien und Spannungen ab. Gegenüber der formalen Rigidität der Minimal Art vitalisiert Palermo die verwendeten geometrischen Elemente und verleiht ihnen durch bewusste Irritationen eine persönliche Prägung (die entsprechende Anweisung an den Siebdrucker lautete: „Unregelmäßigkeiten lassen“!). Insbesondere die Arbeit in Grafikserien ermöglichte es Palermo, seine Formen offen zu halten und in einem dynamischen Prozess kontinuierlich weiter zu entwickeln. Palermos intensive Beschäftigung mit der Druckgrafik und sein Faible für dieses Medium gründen in dessen Prozesshaftigkeit und Wandelbarkeit.
„Ich bevorzuge eine ziemlich karge, simple Formensprache“, lautet einer der wenigen Sätze, die sich der wortkarge Palermo jemals über seine Arbeiten abgerungen hat. Schon am Anfang seines Studiums bei Joseph Beuys an der Düsseldorfer Akademie hatte er angefangen, das Bild zu verschlanken, bis es nur noch als nesselbespannte Holzlatte daherkam. Während er so einerseits den Bildkörper schrumpfen ließ, reduzierte er zwei Jahre später bei den Stoffbildern den malerischen Farbauftrag auf Null, ohne dabei auf maximale Farbwirkung zu verzichten: Er ließ monochrom durchgefärbte Stoffe aus dem Textilhandel bahnenweise vernähen und zog sie – amerikanische Farbfeldmalerei zitierend und bei horizontal vernähten Bahnen auf Landschaftsmalerei anspielend – auf Bilderrahmen auf.
James Dean der deutschen Kunst
Blinky Palermo gilt als der James Dean der deutschen Kunst. Sein Leben war exzessiv, seine Malerei dagegen schlicht. Er bleibt bis heute ein schwer einzuordnender Künstler. Von manchen als Minimalist charakterisiert, aber weder rein abstrakt-konzeptionell noch einfach darstellend arbeitend. In seiner Biografie ist vermerkt, dass er den Konflikt zwischen Klecks und scharfer Kante nie aufzulösen vermochte. Seine Kunst ist spröde, seine Persönlichkeit schillernd. So schillernd, dass er als späte Personifikation eines romantischen Künstlerideals durchgeht: zerrissen, um seine Kunst ringend. Er starb mit 33 Jahren unter bis heute ungeklärten Umständen während einer Urlaubsreise auf der Malediveninsel Kurumba.
BUS:
1. Wandmalerei auf gegenüberliegenden Wänden. Zwei Farbfotos der Situation, nebeneinander auf kaschierte Holzpappe geklebt.
Aufnahme Peter Köster
2. Skizze für Installation „Himmelsrichtungen“.
Aufnahme: Peter Köster
3. Installationsfoto: „Himmelsrichtungen“.
Aufnahme: Peter Köster