Arp Museum zeigt die berühmten „Kissenbilder“ von Gotthard Graubner
Publikum darf ein Jahr lang „Mit den Bildern atmen“
Von Peter Köster
Remagen. 2009, zu seinem Amtsantritt als neuer Direktor des Arp Museums, lernte Oliver Kornhoff, Gotthard Graubner kennen. Diese Begegnung mit dem bekannten Künstler nahm Kornhoff zum Anlass, Graubner für eine große Ausstellung zu gewinnen. Neun Jahre später ist es soweit: Das Arp Museum präsentiert den Farbmagier, wie Gotthard Graubner ehrfurchtsvoll bezeichnet wird; und dies gleich ein ganzes Jahr lang. „Auf das Fest der Skulptur,“ so Oliver Kornhoff, folgt das „Fest der Farbe“. „Mit den Bildern atmen“ lautet der Titel dieser Graubner-Ausstellung, die im Meier-Bau des Arp Museum Bahnhof Rolandseck bis zum 10. Februar 2019 gezeigt wird.
Farbmagier Gotthard Graubner
Gotthard Graubner (1930 – 2013) gehört zu den wichtigsten abstrakten Malern der Gegenwart. Seit Beginn der 1970er-Jahre war er ein oft und gern gesehener Gast im Künstlerbahnhof Rolandseck. Hier begegnete er, der sich Zeit seines Lebens für fernöstliche Philosophien interessierte, 1982 dem Dalai Lama persönlich. Überhaupt war der Künstlerbahnhof für Graubner ein ganz besonderer Ort. Er sagte einst im Radio über den Bahnhof Rolandseck: „Das ist immer eine kreative Situation. Deshalb fühlt man sich hier auch so wohl“.
Meditatives Moment ritueller Tänze
Zehn außergewöhnliche Schwarz-Weiß-Fotografien von tanzenden Mönchen des Klosters Whangdue Phodrang, die 1976 während seines Bhutan-Aufenthaltes entstanden sind und sich in der Museumssammlung befinden, bilden den Startpunkt für Graubners Zentrum. Die Fotografien der tanzenden Mönche sind einzigartig in Graubners Werk. Graubner löste die Kamera mehrmals aus, ohne durch den Sucher zu blicken. In ihrer Verbindung von Dynamik und Stillstand vermitteln die poetischen Aufnahmen das meditative Moment der rituellen Tänze, das auch die Idee dieser Ausstellung bestimmt. Einige ostasiatische Objekte in der Schau knüpfen ein Band zum Buddhismus und Taoismus und stehen stellvertretend für Graubners Interesse an fernöstlichen Kunstgegenständen. Das grandiose Zusammenspiel seiner eigenen Werke mit Skulpturen der Khmer hat Graubner auf der Insel Hombroich eindrücklich präsentiert. Dort bespielt er einen der für Hombroich typischen Pavillons. Übrigens kann man auf der Insel sogar Arbeiten von Hans Arp entdecken. Bei allen Impulsen, die Gotthard Graubner aus den asiatischen Philosophien gewonnen hat, hat er aber immer auch eine gewisse Distanz bewahrt. Graubners Interesse am Buddhismus folgend, schwingt dieses Themenfeld in der Ausstellung atmosphärisch mit. Dabei spielen formale Momente wie Transparenz, Leichtigkeit und Durchdringung sowie die Farboberfläche als lebendiger Organismus eine Rolle. Dies wird nicht nur bei den beeindruckenden Farbraumkörpern, sondern auch im druckgrafischen Werk des Künstlers deutlich.
Werke entstehen auf dem Boden
Die Ausstellung spannt einen Bogen von frühen Papierarbeiten bis zu seinen objekthaften, scheinbar pulsierenden „Farbraumkörpern“, über die der Künstler sagt: „Die Fläche atmet“. Arp-Direktor Oliver Kornhoff führt diesen Satz weiter: „Er fordert uns auf, seine Bilder „mitzuatmen.“ „In dem lichtdurchfluteten Neubau von Richard Meier können Graubners Gemälde im Dialog mit der Natur und im Licht der verschiedenen Tages- und Jahreszeiten ihre Wirkung auf einmalige Weise entfalten.“ Zurück zu den Farbkörpern oder Farbleiben. Graubner bezeichnet sie als „den mit Farbe getränkten Malgrund“. Seine Werke entstehen auf dem Boden. Schwungvoll gießt er Farbe aus Eimern und Schüsseln auf das Bild, verteilt sie mit langstieligen Quasten und Besen, nimmt Farben aus Tuben, reibt sie mit Lappen oder Händen ein und wenn alles nass ist, muss er warten. Ist er nicht zufrieden, arbeitet er nach, bis die Farben so verdichtet sind, dass sie die gewünschte Spannung und Bewegung ausstrahlen.
Eine Hommage an Tintoretto
In der Regel entspricht das Format der Gemälde menschlichen Proportionen. Die Bildhaut wird von einem fest gespannten, feinen Perlongewebe gebildet. Die Kissenbilder sind aufgepolsterte Arbeiten, bei denen auf einer aufgespannten Leinwand mehrere Lagen unterschiedlich saugfähiger Sythetikwatte oder Schaumstoff geschichtet und mit Perlongewebe überspannt sind. Die Farbe wird mit langstieligen Pinseln, Quasten, Lappen und Besen aufgebracht. Die farbintensiven, körperhaften, wandfüllenden Formate wirken in den Raum hinein. Beispiele hierfür sind u.a. das Triptychon Venezia und zwei weitere großformatige Arbeiten, die Graubner 1982 in nur sechs Wochen vor Ort für den Deutschen Pavillon in Venedig fertigte. So vielfältig die Farben der Einzelbilder sind, ist jedes Bild doch von einem Grundton beherrscht. In ihrer
intensiven, kontrastreichen Farbigkeit haben sie Venedigs Farb- und
Stimmungskanon in sich aufgesogen. Graubners Hommage an Tintoretto. Der Künstler hat in Venedig immer wieder Galerien und Kirchen besucht und vor allem in Tintorettos rhythmisch über die Fläche verteilten Farben einen Impuls für seine Malerei entdeckt. Im Katalog zur Ausstellung in der Kunsthalle Hamburg hat Graubner eine Sammlung seiner Vorbilder zusammengestellt. Neben Tizian und Tintoretto finden sich dort u.a. Franz Hals, Delacroix, Caspar David Friedrich, Monet, Cézanne, Arp, Newman und Rothko.
Druckgrafisches Werk
Die Farbraumkörper sind im Format größer und wölben sich gleichmäßig in den Raum vor. Graubner überspannt die Synthetikwatte hier mit einer zweiten Leinwand. Formale Momente wie Transparenz, Leichtigkeit und Durchdringung sowie die Farboberfläche als lebendiger Organismus spielen im Werk von Graubner eine zentrale Rolle. Dies wird nicht nur bei den beeindruckenden Farbraumkörpern, sondern auch im druckgrafischen Werk des Künstlers deutlich. Die zehn Drucke auf Japanpapier sind Teil des Mappenwerks Simulacrum. Der lateinische Ausdruck simulacrum ist abgeleitet von simulo
(Bild, Abbild, Spiegelbild) und simul (ähnlich, gleich). Graubner nutzt
hier die Vernis mou-Technik, um verschiedene Partien seines Körpers
abzudrucken. Dabei wird die Druckplatte mit einer dünnen Wachsschicht
versehen, in die sich das aufgedrückte Körperteil einprägt. Durch Ätzung graben sich die so entstandenen feinen Strukturen in die Metallplatte ein. Graubner erzielt auf diese Weise eine äquivalente Reproduktion seiner Haut, die ihren Vorbildern substantiell verwandt ist und uns sehr sinnlich die Gestaltungskraft der Natur vor Augen führt. Bezogen auf seine Malerei sagt Graubner: „Bewegung – sich ausbreiten, fließen, strömen, aufgehalten werden, sich stauen, sich drängen, zurückdrängen, wieder fließen, Ruhe finden. Das ist organischer
malerischer Prozess.“
Zweimal bei der Documenta vertreten
Gotthard Graubner war zweimal bei der Documenta in Kassel vertreten
und bespielte 1982 den deutschen Pavillon bei der Biennale in Venedig. Seine Bilder sind in internationalen Museen zu sehen und gehören zum festen repräsentativen Inventar in Berlin im Reichstag und im Schloss Bellevue. Nach dem Zweiten Weltkrieg studierte Graubner an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin, an der Kunstakademie in Dresden und seit 1954 an der Akademie in Düsseldorf bei Georg Meistermann und Karl Otto Götz. Bei seinen Aufenthalten in Rolandseck setzte Graubner sich intensiv mit Hans Arp auseinander. Er schätzte Arp als Bildhauer und als Dichter und zitierte ihn für den Katalog der Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle. Auf die Verbindung zum Hauspatron des Arp Museums verweist zu Beginn der Ausstellung Graubners Gemälde Umbigo (portugiesisch Nabel).
BUS:
Dharma V | 1977 Neues Museum Nürnberg.
Foto: Peter Köster
Venezia (Triptychon) | 1982 Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main.
Foto: Peter Köster
Zwei von Graubners „Kissenbildern“.
Foto: Peter Köster