Als Deutschland Hollywood Konkurrenz machte

Von Peter Köster

Bonn/Berlin. Es war in der Zeit der Weimarer Republik. Die deutsche Filmindustrie war kurzfristig eine ernsthafte Konkurrenz zu Hollywood. Klassiker wie Nosferatu und Metropolis prägten die Kinolandschaft. Die Bundeskunsthalle gewährt mit der Ausstellung „Kino der Moderne – Film in der Weimarer Republik“ (bis zum 24. März 2019) einen Blick auf die Lichtspielzeit von 1918 bis 1933. Die Ausstellung entstand in enger Zusammenarbeit mit der Deutschen Kinemathek in Berlin

Im Zentrum der Schau stehen die Wechselwirkungen zwischen Kino, Kunst und Alltag, Mode und Sport, Mobilität und urbanem Leben, Genderfragen und die Popularität der Psychoanalyse. Aber auch die gesellschaftlichen Auswirkungen des Ersten Weltkrieges spiegeln sich im Kino der Moderne. Das Kino der 20er Jahre bot ein Experimentierfeld und prägte wie keine andere Stilepoche des deutschen Films die internationale Filmästhetik. Die deutsche Filmproduktion, und mit ihr Regisseure wie Friedrich Wilhelm Murnau und Fritz Lang, Stars wie Marlene Dietrich und Emil Jannings, erlangten zu dieser Zeit Weltgeltung.

Vom Kimono bis zum Filmplakat

Das Kino der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts wird durch Inszenierungen und Medieninstallationen lebendig. Viele Exponate werden erstmals öffentlich ausgestellt und durch ausgewählte Leihgaben aus Kunst, Design und Architektur aus dem In- und Ausland ergänzt. Zu sehen gibt es unter anderem Plakat-Entwürfe des Vampir-Klassikers „Nosferatu“ und Autogrammkarten von Willy Fritsch, Hans Albers und Luis Trenker. Einen Blick hinter die Kulissen erlauben Szenenbildentwürfe von Walter Reimann für „Das Cabinet des Dr. Caligari“ und Kettelhuts Stadtentwürfe für Fritz Langs „Metropolis“, „Schaufelbagger 1010“ und „Kuhle Wampe“. Mobilität („Achtung! Liebe! Lebensgefahr!“) und Urbanität („Metropolis“) sind ebenso Themen wie Sport („Liebe im Ring“), Körperkult („Wege zu Kraft und Schönheit“), Geschlechterrollen („Der Blaue Engel“) und Genderproblematik („Ich möchte kein Mann sein“). Gezeigt wird zudem Lolas Kimono aus „Der blaue Engel“, Szenenfotos aus „Geheimnisse einer Seele“ und „Die weiße Hölle vom Piz Palü“.

Zeichnungen von Heinrich Zille, Käthe Kollwitz, Hans Richter und Ella Bergmann-Michel sowie Collagen von Hannah Höch, UMBO und Hermann Bayer belegen das Interesse der bildenden Künstler am neuen Medium Film. Fotografien von Hans Casparius, Yva, Lotte Jacobi, Martin Munkácsi, August Sander und Sasha Stone stehen für eine neue Bildästhetik – von Reportage bis Portrait, die auch das Kino prägte und die das Bild der „Neuen Frau“ wesentlich verbreitete. Zahlreiche Dokumente von Produzentinnen wie Liddy Hegewald, Drehbuchautorinnen wie Thea von Harbou und Luise Heilborn-Körbitz oder Kostümbildnerinnen wie Aenne Willkomm beleuchten das vielfach in Vergessenheit geratene Schaffen von Frauen hinter der Kamera.

Originale Handschriften von Filmtheoretikern wie Walter Benjamin, Béla Balázs und Siegfried Kracauer zeugen vom Entstehen der Filmtheorie. Walter Benjamins Filmbibliothek wird für die Ausstellung erstmals rekonstruiert. Darüber hinaus stehen Architekturentwürfe von Hans Poelzig und Erich Mendelsohn für die neuen Kinopaläste und Lichtspielhäuser. Filmische Zeugnisse, bildende Kunst und Alltagsobjekte werden einander gegenübergestellt und erzeugen ein lebendiges Zeitbild.

Der expressiven oder auch betont sachlichen Ästhetik des Kinos wird großer Raum gegeben: In Videostationen, die jedes Kapitel der Schau einleiten, in insgesamt drei Kinos, die sich in der Ausstellung bestimmten Themenfeldern widmen, und schließlich an den Wänden der großzügigen Plaza mitten in der Haupthalle der Bundeskunsthalle, wo ein belebter Platz im Berlin der 1920er Jahre simuliert wird. Ein paar Schritte weiter in der Südgalerie befindet sich die Werkstatt Kino – alles Wissenswerte vom Drehbuch bis zur Regie, von der Kamera- bis zur Schnitttechnik, vom Kostüm bis zur Arbeit am Set mit einem Kamerawagen auf Schienen oder einer fest installierten Kamera auf einem Ski für Bergaufnahmnen ist hier mit großer Liebe zum Detail versammelt.

Photomaton als letzter Schrei

Während auf der Plaza in drei synchronen Filmen der Tag im Leben unterschiedlicher Gesellschaftsschichten in der Weimarer Zeit rekapituliert wird und sich die Tür zum größten Kinosaal der Schau öffnet, schärfen andernorts Themenstationen den Blick auf dieses außergewöhnliche Filmuniversum. Der letzte Schrei der 1920er Jahre war der Photomaton, der Fotoautomat für Jedermann. Außen klebten quasi als Anregung Porträts von Filmstars, innen posierten dann der Arbeiter und die Telefonistin, der Beamte und die Hausfrau nicht selten im Stil ihrer Filmhelden. So genannte Photomaton-Bilder der Berliner Sammlung Günter Karl Bosses werden auf eine Stufe gestellt mit Großaufnahmen von Stummfilmstars. Gleichzeitig treffen August Sanders fotografische Typisierung der Serie „Menschen des 20. Jahrhunderts“ auf Filmfiguren wie Asta Nielsens Bildhauerin Vera Holgk in „Unmögliche Liebe“.

Kein Lebensbereich bleibt unbelichtet

Das Kino lässt keinen Lebensbereich unbelichtet: Wunderbare Interieurs und neue Design- und Wohnkonzepte finden sich neben deutlichen Spuren der Avantgardekunst in vielen Filmen; ebenso gibt es Reflexe auf das Innenleben der Menschen, auf die Segnungen und Abgründe der Psychoanalyse, auf Sehnsüchte und mehr oder weniger verborgene Laster; der Starkult spielt eine gewichtige Rolle, das Exotische steht hoch im Kurs. Der Mensch wird im Kino der Weimarer Republik in den Mittelpunkt gerückt. Die Kamera fährt ganz nah ran, geht ebenso direkt auf dessen Lebenswelt zu. Augen, Mund in Großaufnahme, Häuserfluchten quasi im Sturzflug gesehen, die Welt der Arbeit als lärmende Maschine in zerhackten Bilderfolgen. Zahlreiche Medieninstallationen verdeutlichen, wie sehr der Film die Themen der Zeit reflektierte und diese als neues Leitmedium mit prägte. Der Zauber, den die Bilder der goldenen Kinojahre 1918 bis 1933 entfachten, ist bis heute nicht verflogen.

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Nachgestellte Kinolandschaft auf der Plaza der Bundeskunsthalle.
Foto: Peter Köster

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