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„Übervater der modernen französischen Malerei“

Große Édouard Manet – Ausstellung im Von der Heydt Museum Wuppertal
„Der Salon war sein Kampfplatz“ – Schau läuft bis zum 25. Februar

Von Peter Köster

Wuppertal. Bereits im Vorwege dieser Ausstellung wurde der Star auf Plakaten groß angekündigt. „Er war der Übervater der modernen französischen Malerei. Der Salon war sein Kampfplatz“, so beschreibt der Direktor des Von der Heydt Museums Wuppertal, Gerhard Finckh, den großen französischen Impressionisten Édouard Manet. Sein Haus zeigt den berühmten Maler, „den stets unabhängig gebliebenen Künstler“ nun in der Ausstellung „Édouard Manet“ bis zum 25. Februar „als malenden Bürger, der mit seiner Kunst auch gegen König- und Kaisertum arbeitete.“ Gezeigt werden 45 Gemälde, die u.a. aus Melbourne, Tokio, Sao Paulo, New York, Chicago, Oslo, Budapest, Stockholm ausgeliehen wurden. Hinzu kommen Zeichnungen, Aquarelle, Fotos und Schlüsselwerke der Freunde Manets sowie rund 100 Werke von Zeitgenossen wie Monet, Renoir und Courbet.

Genialer Einzelgänger

Seine Hand und sein Blick waren die wichtigsten Werkzeuge eines genialen Einzelgängers, der er, Édouard Manet, zeitlebends war. Vielleicht macht gerade diese Unabhängigkeit seine Sicht auf die Kunst und die Phänomene der Welt so neu und interessant, dass uns seine – oft rätselhaften – Werke bis heute faszinieren. Die Schau präsentiert das ganze Œuvre, beginnend mit den ersten tastenden Versuchen als Schüler von Thomas Couture und endend mit den letzten so strahlenden Gartenbildern aus Rueil von 1882. Manets Verhältnis zur Gesellschaft im Frankreich des 19. Jahrhunderts steht im Zentrum der Ausstellung. Der Überblick über sein Werk umfasst unter anderem Bilder seiner spanischen Phase, die bekannten Seestücke sowie seine späten Porträts und Figurenszenen. Manets frappierende Bildkompositionen waren wegweisend und machten ihn zu einem Künstler, der Bahnbrechendes für die Malerei geleistet hat und nachfolgende Künstlergenerationen bis heute inspiriert.

Einen zentralen Platz nimmt Manets Verhältnis zur Politik und Gesellschaft im 19. Jahrhundert ein. Zahlreiche Fotografien von den Gräueln des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 und des Aufstands der Pariser Revolutionsregierung (Commune) ordnen das Œuvre Manets zeitgeschichtlich ein. Die Manet-Ausstellung reiht sich in eine Abfolge großer Impressionisten-Ausstellungen im Von der Heydt-Museum ein. So präsentierte das Haus in den vergangenen Jahren viel beachtete Ausstellungen von Renoir, Monet, Sisley und Pissarro bis hin zu Degas und Rodin.

Nun unternimmt das Von der Heydt-Museum das Wagnis, das Werk dieses Außenseiters in einer umfassenden Ausstellung neuen Publikumsschichten zu eröffnen. Das Museum gehört mit weltbekannten Werken der niederländischen Malerei und des 19. Jahrhunderts, mit Gemälden von Claude Monet, Franz Marc, Ernst Ludwig Kirchner und Otto Dix, Pablo Picasso und Francis Bacon zu den wichtigen, international renommierten Kunstorten Deutschlands. Die Sammlung des Wuppertaler Museums umfasst Kunst vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Impressionismus, Expressionismus und die zwanziger Jahre bilden die Schwerpunkte. Die Dauerausstellung (mit regelmäßig wechselnden Werken aus der umfassenden Sammlung umfasst etwa 3000 hochkarätige Gemälde, 400 Skulpturen und 30.000 grafische Blätter.

Werk in neuer Perspektive

Mit Édouard Manet präsentiert das Haus einen der bedeutendsten Wegbereiter der modernen Malerei, der die Kunst im 19. Jahrhundert wie kein Zweiter revolutioniert hat, das Werk des Künstlers in einer neuen Perspektive. Seine Gemälde, die schon im 19. Jahrhundert in den Pariser Salon-Ausstellungen Publikumsmagneten waren, lösten wahre Proteststürme aus. Das lag vor allem an seiner malerischen Strategie, mit bisher unbekannter Direktheit ein spannungsvolles Verhältnis zwischen den Personen im Bild und den Betrachtern herzustellen. Diese bisweilen direkte Ansprache des Betrachters fasziniert bis heute. Manets Gemälde verdeutlichen, wie sich das Sehen in der Öffentlichkeit der modernen Metropole Paris seit den 1860er-Jahren unaufhaltsam verändert – ein Wandel, den Manet und seine Zeitgenossen in ihrer Kunst pointiert zum Thema machten. In der Rückwendung auf Alte Meister, wie etwa auf die großen Spanier Velázquez und Goya, aber gleichzeitig auch in der Beschäftigung mit den Themen des modernen Lebens, entwickelt Manet die neue Bildsprache seiner Zeit.

Manets Gemälde sorgten für Skandale

Er war ein Einzelgänger und brach mit den üblichen Malweisen seiner Zeit Mitte des 19. Jahrhunderts. Seine Gemälde schufen Skandale: wie 1863 „Déjeuner sur l’herbe“, 1865 „Olympia“, 1867 „Pavillon an der Place de l’Alma“, oder 1877 „Nana“. Die Jury des Salons empfand die Werke als Provokation und lehnte sie ab. Den Spott hielt er aus. Ihm ging es darum, die moderne Realität mit zeitgemäßen Mitteln abzubilden. Manets Kunst war immer umstritten, und er selbst sah sich wohl auch als singulärer Vorkämpfer für eine neue Kunst und eine andere Sichtweise auf die Welt. Er wollte weder mit der „klassischen“ Historienmalerei noch mit dem Impressionismus etwas zu tun haben. So reichte er zwar seine Werke regelmäßig zu den jährlich stattfindenden Salon-Ausstellungen ein, nur um dort immer wieder abgewiesen zu werden, andererseits beteiligte er sich an keiner der acht Impressionisten-Ausstellungen, obwohl er mit einigen Protagonisten dieser Gruppe, darunter Monet, Degas und Renoir, eng befreundet war.

Persönliche Position als Künstler

Manets Verhältnis zu Politik, Weltanschauung und Gesellschaft im Frankreich des 19. Jahrhunderts sind eigentliches Ausstellungsthema. Die bewundernden und an Manet orientierten Werke seiner Künstlerfreunde spiegeln in der Ausstellung die Faszination, die von diesem Heroen der Malerei ausging. „Es geht hier um den politischen, gesellschaftlichen und intellektuellen Kosmos seiner Zeit, um Manets Stellungnahme und um seine persönliche Position als Künstler, – letztlich auch um die Frage, was er selbst mit seinen Gemälden in historisch-ästhetischer Hinsicht über die Verhältnisse seiner Zeit aussagen und inwiefern er diese Verhältnisse in Bewegung bringen wollte,“ so Museumsdirektor Gerhard Finckh auf der Pressekonferenz.

Der Überblick über sein Werk umfasst auch Bilder seiner spanischen Phase, sowie die bekannten Seestücke. Seine späten Porträts und Figurenszenen begeistern vor allem durch die psychologische Spannung zwischen den Protagonisten; sie scheinen bereits Fragen der modernen Psychoanalyse in Bildform vorwegzunehmen. Manets frappierende Bildkompositionen waren wegweisend und machten ihn zu einem Künstler, der Bahnbrechendes für die Malerei geleistet hat und nachfolgende Künstlergenerationen bis heute inspiriert. Dem Von der Heydt Museum geht es mit der Ausstellung weniger um die großen, allbekannten Skandale, die Manets Werke hervorriefen, sondern mehr um das Malergenie jenseits der Skandale, um seine Sicht auf die Gesellschaft im 2. Französischen Kaiserreich und auf das geistige Leben in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Frankreich.

Fokus auf den Bürger Manet

Die Ausstellung will Manet als Künstler vorstellen, der sich intensiv mit den politischen Ereignissen seiner Zeit auseinandersetzte, und richtet dabei den Fokus auf den Bürger Manet, der im Kaiserreich Napoleon III. gegen die Herrschaft des Einzelnen und für eine demokratische Republik eintrat. Er vertrat die Position des Bürgers, der innerhalb der Strukturen eines Staates mit seinen Mitteln – in diesem Fall denen einer präzisen, „messerscharfen“ Malerei – den eigenen Aufstieg und zugleich gesellschaftliche Veränderungen bewerkstelligen wollte. „Wir wollen in dieser Ausstellung nicht nur einen der wichtigsten Maler des 19. Jahrhunderts präsentieren, sondern damit auch sein Plädoyer für die Demokratie in die Gegenwart transportieren und damit erneut ins Gespräch bringen. Gerade in heutiger Zeit scheint uns dies wichtiger denn je“, sagt Gerhard Finckh, der die Ausstellung kuratiert hat. Zugleich interessiert den Ausstellungsmacher aber auch die neue Ästhetik, die mit diesem politischen Bewusstsein einhergeht; frappierende Bildkompositionen, wie etwa die „Explosion“ aus dem Museum Folkwang Essen oder das kleine Werk „Oloron Saint-Marie“, das Manets Trauer über den Krieg von 1870/71 und die Ereignisse der Commune so meisterhaft in einer düsteren Szenerie schildert, zeigen Manet als Künstler, dem selbst im intimen Format außergewöhnliche Bildfindungen gelangen.

Ausstellung in elf Kapitel gegliedert

Die Ausstellung ist in elf Kapitel gegliedert. Anfang und Ende der Ausstellung bildet die Realisierung der „Allegorie auf den Triumph Manets“, wie sie Paul Valéry vorgeschlagen hat, mit Hilfe der Werke der wichtigsten Künstler im Umfeld Manets. „Wir wollen damit zeigen, wie sich Manet in den künstlerischen Diskurs seiner Zeit integriert und zugleich, welche singuläre Position Manets Œuvre in diesem Kreis seiner Freunde und Weggenossen einnimmt“, so Gerhard Finckh. Weitere Räume sind Manet und den Skandalen, die er mit seinen Werken provoziert hat, Manets Verhältnis zur Fotografie und Manets Anfängen im Atelier Thomas Coutures und den Einflüssen der Schule von Barbizon auf Manets Frühwerk gewidmet.

Ein eigener Raum ist Manets Seestücken gewidmet. Da Manet ursprünglich eine Laufbahn in der französischen Marine einschlagen wollte, verwundert es nicht, dass er sich auch später in seinen Gemälden mit allem dem Maritimen verbundenen auseinandersetzte; so malte er immer wieder Motive der Seefahrt. Sodann beleuchtet die Ausstellung die „Spanienmode“, die um 1858 einsetzte und Manet 1865 zu einer Reise nach Spanien veranlasste, wo er sich so für Velasquez begeisterte, dass er ihn als den größten aller Maler pries. Manets Bilder dieser spanischen Phase, die, zumeist dunkelgrundig, ihre Figuren manchmal überhell, wie im grellen Gegenlicht aufscheinen lassen und nach vorn, in den Raum des Betrachters drängen, reservieren für ihre Protagonisten gleichwohl einen geschützten Raum, in welchem sie für sich alleine stehen, sich selbst genügend, allenfalls in einem provozierenden Blickkontakt zum Betrachter.

Letzte Bilder in Rueil geschaffen

Parallel zu den Werken, die sich mit der großen Politik auseinandersetzen, schuf Manet Bilder, in welchen vor allem die psychologische Spannung zwischen den Protagonisten von Interesse ist. Bilder wie „Die Krocketpartie“ von 1873 oder „Beim Père Lathuille“ (1879) zeugen von einem Interesse an Personen und Personen-Konstellationen, das Fragen der modernen Psychoanalyse in Bildform vorwegzunehmen scheint. Der Überblick über Manets Werk endet mit seinen letzten Bildern, die er in Rueil schuf, wo er sich zur Kur aufhielt und nur wenige Gartenbilder schuf, in welchen die Sonnenstrahlen, die durchs Laub fallen, geradezu mit den Händen greifbar erscheinen. Mit diesen letzten Bildern Manets, die in ihrer Konzentration wie die Summe des Könnens eines alten Zen-Meisters wirken, schließt die Ausstellung.

Mit Manets Spitzenwerken aus internationalen Museen bietet die Ausstellung im Von der Heydt Museum die einmalige Gelegenheit, den ganzen Manet vom Frühwerk bis zum Spätwerk zu sehen. Dieses sollte man sich nicht entgehen lassen.

  

BUS:

Unbekannter Fotograf/Ludovic Baschet Edouard Manet um 1876 Woodburytypie 11,8 x 8 cm Paris, Musée d’Orsay don de laFondation Kodak
Pathé, 1983 bpk / RMN – Grand Palais / Patrice Schmidt

Edouard Manet
Das Dampfschiff Seelandschaft mit Tümmlern 1868
Öl auf Leinwand 81,4 x 100,3 cm Philadelphia Museum of Art

Edouard Manet Die Rennbahn von Longchamp 1867
Öl auf Leinwand 43,9 x 84,5 cm The Art Institute of Chicago, Potter Palmer
Collection

Edouard Manet Landhaus in Rueil 1882 Öl auf Leinwand
71,5 x 92,3 cm Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie
Fotograf: Jörg P. Anders

Die Schau präsentiert den französischen Künstler (1832–1883), beginnend mit den ersten Versuchen als Schüler von Thomas Couture und endend mit den strahlenden Gartenbildern aus Rueil von 1882.

 
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