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Malen mit altmeisterlicher Technik

Landesmuseum würdigt 80-jährigen Künstler Dieter Kraemer mit umfangreicher Werkschau  – „Snapshots alltäglicher Banalitäten“

Von Peter Köster

Bonn. Dieter Kraemer war einer der ersten Künstler, die während der alleinigen Dominanz der abstrakten Kunst in den 60er Jahren mit gegenständlicher Malerei begannen. Das LVR-LandesMuseum in Bonn zeigt anlässlich des 80. Geburtstages von Dieter Kraemer bis zum 21. Januar 2018 eine Auswahl seines umfangreichen Werkes. Titel: „Dieter Kraemer Malerei“.

Unbeeindruckt von den künstlerischen Entwicklungen der letzten Dekaden malt Dieter Kraemer seit mehr als 20 Jahren Stillleben. Neben Alltagsszenen, Stadt- oder Landschaftsansichten sind es damit vor allem die täglichen Dinge des Lebens, die der Maler auf die Leinwand bannt und sie der Gewöhnlichkeit entreißt. „Das Banale und Vergängliche weist in der künstlerischen Aneignung über sich hinaus und wird zum Gegenstand zweckfreier Wahrnehmung, zum Bedeutungsträger für das Einzigartige und Unvergängliche”, so Ulli Seegers. Auszug aus: Dieter Kraemer, Natura morta, Köln 1999.

Der 1937 in Hamburg geborene Künstler gehört stilistisch zu den Deutschen Realisten und bevorzugt Themen aus den Bereichen Interieur und Stillleben, die man treffend als „Snapshots alltäglicher Banalitäten“ bezeichnen könnte. Seine Bilder blieben bis heute der „Magie der Realität“ treu und sind aus der deutschen Kunst der letzten 50 Jahre nicht wegzudenken. Sie zeichnet ein fokussierter Blick auf Menschen in Alltagssituationen und in ihrem Verhalten aus, die Kraemer immer wieder mit einem humoristisch präzisen Blick zeigt.

Dieter Kraemer, wie erwähnt, 1937 in Hamburg geboren, nimmt dort 1957 sein Studium an der Hochschule für bildende Künste auf, das er ab 1959 an der Hochschule für bildende Künste Berlin fortsetzt und als Meisterschüler von Hann Trier beendet. Sein Lehrer Trier war für Kraemer eine wichtige Person während seines Studiums aber auch sonst im Kunstbetrieb. Anfang der 60er Jahre stand Hann Trier gemeinsam mit Emil Schumacher, K.R.H. Sonderborg, Karl Otto Götz, Gerhard Hoehme, und Fred Thieler für das Deutsche Informel. Trotz Hochblüte des Informel entschied sich Dieter Kraemer gegen diese Kunstbewegung, die als Sammelbegriff für die Stilrichtungen der abstrakten (im Sinne von nicht-geometrischen, gegenstandslosen Malerei) stand. Er bezog sich stattdessen als einer der Ersten auf die Neue Sachlichkeit, jene kurze, fast vergessene Epoche Ende der 20er und 30er Jahre, die 1933 mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten endete.

Dieter Kraemer orientierte sich statt an Pollock an Beckmann und anderen Malern der neuen Sachlichkeit, die er sich als Vorbild für seinen in dieser Zeit inopportunen Realismus nahm, und ebnete damit den Weg für den sogenannten Neuen oder Kritischen Realismus in Berlin. 1963 wird er an die Kölner Werkschule berufen, wo er 1973 eine Professur an der Fachhochschule Köln im Fachbereich Kunst erhält. Von 1993 bis 2003 wirkt er ebenfalls als Professor an der Kunsthochschule für Medien in Köln. Der Künstler lebt und arbeitet in Köln.

Ob es essbare Dinge sind oder Alltagsgegenstände wie ein Koffer oder ein VW-Käfer: Der Kölner Künstler malt mit altmeisterlicher Technik. Nur eine gleichsam naive Vereinfachung der Figuren und perspektivische Verschiebungen trennen ihn vom Fotorealismus. Kraemer tritt als Maler zurück und lässt die Dinge sprechen. So wie er früher die Autos mit Unfallschäden gemalt hat, setzt Kraemer heute gern eine fette Fliege auf die gemalten Leckereien – damit das reine Schauvergnügen zum Gedankenanstoß wird.

Kraemers Arbeiten zeigen konkrete Darstellungen im alltags- und freizeitorientierten Kontext; er malt, was ihn umgibt und bewahrt es in einer stilllebenhaften Inszenierung: Käse, Brot, Blicke aus dem Fenster, Maschinen und Menschen, die er mit einer Portion Ironie und Gesellschaftskritik in Szene setzt. Seine Bilder sind Zeitzeugen und Zeitdokumente. So erzeugt der Künstler als Chronist seiner Zeit eine dichte Authentizität in seinen direkten und unprätentiösen Darstellungen.

Das Stillleben gibt der Gattung Malerei heute zwar scheinbar keine neuen Impulse, doch sie führt sie zurück zu ihren Wurzeln: zur Beobachtung und stillen Wiedergabe der Dinge. Und genau dies ist in einem Zeitalter, das geprägt ist von Schnelllebigkeit und multimedialer Kunst und Kommunikation, umso mehr ein aktuelles und vor allem dankbares Motiv.

BUS:

Dieter Kraemer, Frau vor VW 1972. © Dieter Kraemer,

VG-Bild-Kunst, Bonn 2017, Foto: Peter Köster

Dieter Kraemer, Die Piloten 1958, 146 x 101 cm, Öl auf Leinwand

© Dieter Kraemer, VG-Bild-Kunst, Bonn 2017. Foto: Peter Köster

Stilllebenwand von Dieter Kraemer: Foto: Peter Köster

  

 
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