Inspirationsquelle für zukünftige Gestaltung von Spielräumen – „The Playground Projekt“

Von Peter Köster

Bonn/Zürich. Die Bundeskunsthalle weckt den Spieltrieb bei Kindern und Erwachsenen. Mit Spielskulpturen für Kinder, Filmen, Fotografien und Objekten führt die in Zusammenarbeit mit der Kunsthalle Zürich entstandene Ausstellung „The Playground Project“ (Dauer: bis 28. Oktober) durch über 100 Jahre Spielplatz und zeigt, was jenseits vom Standard alles möglich ist. Die gezeigten Spielobjekte laden zudem zum Kriechen, Rutschen und Verstecken ein.

Niki de Saint Phalles „Golem“ entstand nur für Kinder

Künstler, Aktivisten und Bürger wollten Kindern den besten Spielort zur Verfügung stellen und zugleich Gemeinschaft und Stadt neu denken. „Mit dem Spiel beginnen wir die Welt zu entdecken, zu begreifen und uns in ihr zurechtzufinden. Das Spiel ist das Erproben sozialer Praxis und – wie auch die Kunst – Feld der freien schöpferischen Tätigkeit, ohne an Zwecke oder Nutzen gebunden zu sein“, so Rein Wolfs, Intendant der Bundeskunsthalle. Dies erkannte nicht zuletzt Niki de Saint Phalles, deren mystische, verspielte und üppige Skulpturen Kinder und Erwachsene gleichermaßen in ihren Bann ziehen. Oft sind es überlebensgroße künstlerische Environments, die betreten werden können und dazu auffordern, Emotionen, Sinnenswahrnehmung und Denken freien Lauf zu lassen. Golem (auch Mifletzet genannt), ist 1972 ihr erstes Projekt explizit für Kinder. Sie baut in Jerusalem im Auftrag der Jerusalem Stiftung für den Rabinovich Park. Die drei roten Zungen des schwarz-weißen Monsters sind steile Rutschen, das Innere ein höhlenartiges Spielhaus.

Gliederung in vier Bereiche

Die Bonner Schau gliedert sich in vier Bereiche, die je einem Spielplatztypus gewidmet sind: links die Spielskulptur, gefolgt vom Abenteuerspielplatz im hinteren Teil der Halle, daran anschließend rechts die Spiellandschaft und schließlich der Aktivismus. The Playground Project zeigt, wie die Ideen in verschiedenen Ländern aufgenommen wurden. In zahlreichen Bildern, Filmen, Plänen und Modellen, wie ein begehbarer Spielbus, präsentiert die Ausstellung Projekte von Gestalterinnen und Gestaltern wie Aldo van Eyck, Richard Dattner, Riccardo Dalisi, Yvan Pestalozzi und Josef Schagerl.

„The Playground Project“

„The Playground Project“ wurde 2013 erstmals anlässlich der „Carnegie International“ in Pittsburgh (USA) gezeigt. „Ursprünglich war das ganze als Forschungsobjekt angelegt“, verrät Kuratorin Gabriela Burkhalter (Basel). Nachdem das Forschungsprojekt 2016 in der Kunsthalle in Zürich weiter vertieft wurde, wandert es seither durch Europa. Mittlerweile haben fünf Stationen „The Playground Project“ gezeigt. Die Schau illustriert anhand von herausragenden Gestalter(inne)n die wichtigsten Momente in der Geschichte des Spielplatzes. Zwischen 1950 und 1980 war der Spielplatz ein kreatives Labor. In den Städten der Industrienationen entstanden innovative Projekte: Landschaftsarchitekt(inn)en, Künstler/-innen, Aktivist(inn)en und Bürger/-innen wollten Kindern den besten Spielort zur Verfügung stellen und zugleich Gemeinschaft und Stadt neu denken: „The Playground Project“ macht den Reichtum dieser Zeit erlebbar. In der Geschichte des Spielplatzes spiegelt sich nicht nur die Geschichte eines jeden Einzelnen. An ihr lassen sich auch wichtige gesellschaftliche Veränderungen ablesen: Vorstellungen über Erziehung und Kindheit, Kreativität und Kontrolle, Architektur, öffentlichen Raum und Kunst.

Spektakuläre Turngeräte aus Stahlrohr und Holz

„The Playground Project“ ist einerseits Rückschau, versteht sich aber auch als Inspirationsquelle für die zukünftige Gestaltung von Spielräumen. Vier Schlüsselmomente prägten die Entwicklung des Spielplatzes: Um 1900 holen Sozialreformer das „herumlungernde“ Kind von den Straßen der großen Industriestädte. Sie bringen es auf betreute und nach Geschlecht getrennten Plätzen „in Sicherheit“, um es vor den schlechten Einflüssen der Straße zu schützen. Diese eingezäunten Orte bestücken die Reformer mit spektakulären Turngeräten aus Stahlrohr und Holz. Um 1930 kommt in den skandinavischen Ländern die Idee auf, dass Kinder besser mit natürlichen Materialien spielen sollten. Selbstständiges und kreatives Gestalten mit Sand und Wasser gewinnt neben leistungsorientiertem Turnen an Bedeutung. Turnvater Jahn hätte dies erfreut. In den 1960er-Jahren, dem Jahrzehnt der Selbstermächtigung und der Eigeninitiative, steht das eigenständige Machen in der Gemeinschaft ohne staatliche Bevormundung im Vordergrund.

Mit den 1980er-Jahren verlieren gesellschaftliche und politische Utopien an Anziehung. Der Spielplatz wandelt sich vom offenen Ort für Experimente zum kontrollierten Normraum, wobei das Kind immer stärker auch als Konsument wahrgenommen wird. Sich verschärfende Sicherheitsstandards halten zudem viele Gestalter davon ab, in diesem Bereich weiterhin tätig zu sein. Eine Ausnahme bilden die Naturspielplätze, wie sie gerade in Deutschland populär
werden. Nach Jahrzehnten der Stagnation ist heute wieder eine Aufbruchstimmung spürbar.
Begleitend zur Ausstellung ist eine Publikation erschienen, die die wechselvolle Geschichte des Spielplatzes zwischen Erziehung, Architektur, Kunst und Politik beschreibt. In zahlreichen bisher unveröffentlichten Bildern bringt „The Playground Project“ den damaligen Ideenreichtum zurück – damit wir uns heute davon inspirieren lassen können.

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BUS.

Begehbarer Spielbus.
Foto: Peter Köster

Yvan Pestalozzi Lozziwurm.
Foto: Peter Köster

Spielmodule. Rutsche und Sandkasten.
Foto: Peter Köster

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