Collagen aus der Sammlung Meerwein treffen auf Arp´sche Plastik

Von Peter Köster

Remagen. Meerwein zum Dritten: Das Arp Museum Rolandseck nimmt Anleihe am Sammlungskonvolut Meerwein. Im Jahr 2015 schenkte Gerhard Meerwein, der in Mainz ansässige ehemalige Professor für Architektur und Innenarchitektur, seine Kunstsammlung mit rund 400 Werken von 1945 bis in die Gegenwartskunst inklusive der dazugehörigen Fachbibliothek dem Arp Museum. Die aktuelle Ausstellung „Collagen. Die Sammlung Meerwein“ zeigt das Remagener Haus bis zum 5. Januar 2020.

Ausstellungstrilogie

Im dritten und letzten Teil der Ausstellungstrilogie treten im Rahmen des Themenjahres 2019 „Sammlungen“ rund 100 Werke aus der Sammlung Meerwein, der Sammlung Arp und der Sammlung zeitgenössischer Kunst des Arp Museums Bahnhof Rolandseck in einen intensiven Dialog. Arne Reimann, der erneut die Meerwein-Schau kuratiert, plante von Beginn an, die Sammlung im Rahmen einer Ausstellungstrilogie vorzustellen. Der Erste Ausschnitt, im Jahr der Schenkung, konzentrierte sich auf die Persönlichkeit des Sammlers und bildete thematische Schwerpunkte der gesammelten Collagen ab. Im Mittelpunkt des Zweiten Ausschnitts (2017) stand die Beziehung Gerhard Meerweins zu einzelnen Künstlerinnen und Künstlern. Hervorgehoben wurden zeitgenössische Positionen aus der räumlichen und persönlichen Nähe des Sammlers, mit denen er über Jahre fortwährend freundschaftlich wie künstlerisch verbunden war. Zum Abschluss der Trilogie verbindet nun der Dritte Ausschnitt die Sammlung Meerwein mit dem Bestand des Museums aus der Sammlung Arp und der Sammlung zeitgenössischer Kunst. Gerade diese künstlerisch sowie geschichtlich kombinierten Schnittmengen bilden im Aufeinandertreffen das ab, was die Faszination der Collage ausmacht.

Innovativste Kunstform der Moderne

Das Sammeln von Papier in seinen unterschiedlichen Alltagserscheinungen sowie die Neubewertung von Ausschnitten und Fragmenten durch das Wegnehmen oder Hinzufügen bilden die Grundlagen der Collage. Als künstlerisches Prinzip in der Avantgarde und vor allem vom Dadaismus in die Geschichte der Kunst eingeschrieben, schuf die experimentelle und offene Herangehensweise eine Möglichkeit, unterschiedliche Zeit- und Wirklichkeitsebenen miteinander zu verknüpfen. Eine Collage erschafft ihre grenzüberschreitende Kraft aus mindestens zwei Elementen, die aus verschiedenen Ursprungsbereichen stammen und in einem neu geschaffenen Zusammenhang aufeinanderprallen. Durch die Differenz der zusammengefügten Teile entsteht das Potential, bei den Betrachterinnen und Betrachtern einen neuen, darüber hinaus weisenden Kontext zu generieren. Ein wesentliches Merkmal der künstlerischen Technik ist die Durchdringung von Kunst und Leben. Ausgangspunkt sind Relikte aus dem Alltag wie ein Stück Zeitungspapier, eine Fotografie, ein Stofftaschentuch, Streichholz-Schachteln und vieles mehr. Das Sammeln dieser Dinge sowie die Neubewertung von Ausschnitten und Fragmenten durch das Wegnehmen oder Hinzufügen bilden die Grundlagen der Collage. Es waren Hans Arp, Sophie Taeuber-Arp und ihre Zeitgenossen, die die Collage maßgeblich geprägt und somit zu einer der wohl innovativsten Kunstformen der Moderne gemacht haben.

Persönlichkeit des Sammlers

Die über 400 Kunstwerke, die Gerhard Meerwein über vierzig Jahre in seiner Wohnung in der Mainzer Altstadt gesammelt hat, sind in ihrer Zusammenstellung und Fokussierung auf die Collage einzigartig. Die Werke umfassen den Zeitraum von 1920 bis 2017 und sind geprägt durch die Persönlichkeit des Sammlers. Die Sammlung selbst gleicht einer privaten Collage und erhebt deshalb keinen Anspruch auf historische Vollständigkeit, sondern betont damit vielmehr ihren eigenen, unverwechselbaren Charakter. Der Künstler Jiří Kolář und das Engagement Gerhard Meerweins in seiner „Maier Galerie“ waren Auslöser für seine über vier Jahrzehnte währende Sammeltätigkeit.

Fluxus-Ära im Künstlerbahnhof

Im Künstlerbahnhof wird die Fluxus-Ära wieder lebendig. So zeigt Wolf Vostell in seinem „Tagesschau-Studio“ den Tagesschau-Sprecher Wilhelm Stöck auf einem bedruckten Tuch, das über den Fernseher gelegt ist. Nicht weniger witzig Stefan Wewerkas Nonsense-Objekt „Stuhl“. In diese Sparte gehört auch das „Kaninchenköttelkaninchen“ von Dieter Roth, das genau das ist, was der Titel beschreibt und im Nebentitel „Scheißhase“ heißt. Zu nennen auch die Collagen von Martin Kippenberger und Sigmar Polke oder Joseph Beuys mit seinem Diagramm „So kann die Parteiendiktatur überwunden werden“. Ach, was war sie doch schön, diese freche und manchmal provokante Fluxus-Welt der 1960er und 1970er Jahre.

Originalwerkstatt in Meudon

Teil zwei der Ausstellung trägt den Titel: „Die Natur ist eine versteinerte Zauberstadt“ und ist dem Hauspatron Hans Arp gewidmet. Dabei geht es aber nicht so sehr um die Collagen, Holzreliefs und Dichtungen, die den Meister ins Zentrum der Betrachtung rücken, sondern um die eigentliche Produktionsstätte Arps. Erstmals wird im Kabinett des Meierbaus der Nachbau der Originalwerkstatt in Meudon (Frankreich) gezeigt. Zu bestaunen sind Arps Gipsmodelle und Werkzeuge, die er in seinem Atelier Ende der 1950er Jahre einsetzte. Auf Texttafeln werden die Gusstechniken beschrieben und der Gebrauch der Punktiermaschine erklärt. „Damit konnten die Gipsmodelle für den Steinbildhauer vergrößert werden“, so Astrid von Asten, Kuratorin der Sammlung Arp. Hans Arp wird als Pionier der organischen Abstraktion gefeiert, der wertvolle Informationen über Entstehung und Präsentation der Plastiken liefert. Dazu zählen auch die von ihm gefertigten organischen Sockel. Ein besonderes Schaustück ist der Abguss eines Riesenkürbis, der aus Hans Arps Garten in Locarno (Schweiz) stammt. Mit seiner neuen modernen Arbeitsweise wird Arp zum Vorläufer mehrerer zukünftiger Kunststile. Als Pionier der organischen Abstraktion prägte Hans Arp zudem maßgeblich die klassische Moderne und schuf eine neue Ära der Bildhauerei.

 

BUS:

Bild 1: Hans Arp in seinem Atelier in Meudon.
Foto: Peter Köster

Bild 2: Abguss eines Riesenkürbis aus dem Garten in Locarno.
Foto: Peter Köster

Bild 3: Blick in die Ausstellung „Sammlung Arp 2019“ mit Punktiermaschine.
Foto: Peter Köster

Bild 4: Joseph Beuys mit seinem Diagramm „So kann die Parteiendiktatur überwunden werden“.
Foto: Peter Köster

Bild 5: Tagesschausprecher Wilhelm Stöck auf Tuch, das über den Fernseher gelegt ist von Wolf Vostell.
Foto: Peter Köster

Bild 6 : Stefan Wewerkas Nonsense-Objekt „Stuhl“.
Foto: Peter Köster

 
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