Deutschland-Premiere mit Pionierin der Digitalfotografie

Heidi Specker stellt bis zum 27. Mai im Kunstmuseum Bonn aus

Bonn. Deutschland-Premiere für die Binnenschau mit Arbeiten von Heidi Specker im Kunstmuseum Bonn. Gemeinsam mit der Kuratorin Barbara Scheuermann hat Specker die Schau „Fotografin“, die bis zum 27. Mai gezeigt wird, konzipiert.

Heidi Specker gehört zu den Pionieren der Digitalfotografie, welche sie schon früh mit großer Selbstverständlichkeit und als der analogen Fotografie ebenbürtig eingesetzt hat. Während Instagrammer heute ihr Mobiltelefon als Kamera verwenden und verschiedene Apps nutzen, um ihre Fotos zu bearbeiten, gilt Specker als Vorreiterin dieses heute als selbstverständlich erachteten Mediums für Fotoerstellung. Zu Beginn der 1990er Jahre, als die Skepsis gegenüber dem Digitalen groß war, entschied sich Heidi Specker bewusst dafür. Der Wechsel zur digitalen Fotografie war für sie logisch, auch mit dem Wissen, dass Digitalfotografie auch immer die Möglichkeit der Manipulation am Bild zulässt. Dessen ist sie sich bewusst. Dennoch hat sie sich bewusst für diese Technologie entschieden. „In der Dunkelkammer musste ich immer kämpfen, jetzt kam mir die neue Technik entgegen und das Bild war modellierbar.“

Spezialistin für Architekturen

Die Kameras waren noch sehr schlecht, aber Specker lernte Photoshop und zog fotografierend durch die Straßen Berlins. Damals entstand die Werkreihe der „Speckergruppen“ und später die Serie „Teilchentheorie“, in denen sie urbane Architektur und deren Details durchkonjugierte. Damit nahm die Künstlerin gleichsam die Neubewertung dieser Art von Nachkriegsarchitektur vorweg. Die 1962 in Damme bei Osnabrück Geborene gilt als Spezialistin für Architekturen, für die skulpturale Qualität von Oberflächen, für die Textur der Stadt. 1993 kam sie nach Berlin. „Ich besuchte ein Freundin und blieb hier hängen“, sagt sie. In der Stadt formierte sich damals eine vibrierende Szene für Techno- und Elektromusik. Für ihre „Speckergruppen Bildings“ fotografiert sie Nachkriegsbauten in Ost- und West-Berlin, am Alexanderplatz oder im Hansaviertel. Die Fotografien der bekannten „Speckergruppen“ bearbeitete Heidi Specker mit dem Computer, indem sie Kontraste, Farben und Schärfen digital veränderte. Sie scannte die Bilder ein, eliminierte Schatten und Tiefenwirkungen, so dass die Gebäude wie verschwommene, malerische Kompositionen wirkten. Damit wurde sie zur Pionierin in Sachen Digitalfotografie, nicht weil sie früh mit Photoshop arbeitete, sondern weil sie keinen Hehl daraus machte. Ihr ging es wohl nie darum zu zeigen, was ist. Vielmehr tastet sie die Realität auf neue Sichtweisen ab. Aber es ist nicht der dokumentarische Aspekt der Fotografie, dem Heidi Specker folgt. „Ich interessiere mich dafür, wie ich ein interessantes Bild bekomme. Dabei ist weniger entscheidend, was ich abbilde, sondern wie es erscheint.“

Werkgruppen miteinander verschränkt

Die Ausstellung im Kunstmuseum Bonn ist die erste Überblicksschau zum Gesamtwerk dieser wichtigen Fotografin und wird Werkgruppen der letzten 20 Jahre vereinen, die auf andere Orte und neue Themen verweisen und eine eigene Bildsprache entstehen lassen. Aus einer Zusammenstellung von acht Werkgruppen mit über 70 Fotografien sowie Künstlerbüchern und einer filmischen Projektion hat die Künstlerin eine dichte Ausstellung entworfen, die weder einer Chronologie noch einer linearen Erzählung folgt. Vielmehr werden die verschiedenen Werkgruppen miteinander verschränkt und verwoben. Auf diese Weise entsteht eher eine künstlerische Gesamtinstallation als ein klassischer Ausstellungsparcours. Motive, Farben und Kompositionen wiederholen sich, stellen Beziehungen zwischen einzelnen Bildern oder auch Gruppen her. Dies zeigen die Figuren von Giorgio de Chirico, riesenhaft vergrößerte Silberschalen oder Klaviertasten, Vögel, Pflanzen mit ihren malerischen Schatten und Porträts in Schwarz-Weiß von Menschen im Atelier der Fotografin.

Mit dem Blick der Kamera erforscht

Immer wieder widmet sich Heidi Specker der künstlerischvisuellen Untersuchung historischer Werke und Gegebenheiten, indem sie vorgefundene Strukturen mit dem Blick der Kamera erforscht. Dazu zählt nicht zuletzt Speckers Werkgruppe „In Front Of“ die sie erstmals 2016 in der Berlinischen Galerie zeigte und nun auch in Teilen in Bonn präsentiert. Dabei handelt es sich insgesamt um eine Serie von 70 Bildern, in denen sich Heidi Specker mit den Umständen und Bedingungen der Porträtfotografie auseinandersetzt. Statt dem gängigen Aufnahmekodex zu folgen, schafft sie in ihrem Atelier eine Atmosphäre, die es ermöglicht, die Abhängigkeits- und Machtverhältnisse durchsichtig zu machen, die während einer Porträtsitzung zwischen Fotograf und Modell entstehen. Heidi Specker gab ihren Modells Postkarten von Schauspielern und Künstlern in die Hand. Als Ablenkung und Inspiration.

Nun sieht man auf manchen Bildern, Hände, die Postkarten halten. Ihre Fotos entwickelte sie aus einer Verweigerungshaltung gegenüber der konventionellen Porträtfotografie, die vornehmlich auf Repräsentation und Selbstdarstellung angelegt ist. In ihrer Beiläufigkeit und Sperrigkeit provozieren die Porträts ein Nachdenken darüber, wie weit man einem Menschen überhaupt nahe kommen und seine Persönlichkeit erfassen kann. „Das Porträt ist immer auch Maskerade, selbst wenn es nur ein Lächeln ist, das man aufsetzt.“ Specker wollte, dass man das sieht. Nicht weniger eindrucksvoll ihre Serie „Im Garten“. Diese mutet an wie ein Spaziergang durch die Stadt, bei dem über parallele Strukturen in Natur und Kultur nachgedacht wird. Bei diesem Zyklus sieht Berlin ab und an wie Los Angeles aus. Der Westküsteneindruck ergibt sich durch die Farben und die kühnen Ausschnitte. Auch um solche Kippmomente geht es in Speckers Arbeit.

Intuitive Linien

Die Betrachterinnen- und Betrachter sind eingeladen auf eigenen Wegen den motivischen, formalen oder auch intuitiven Linien in Heidi Speckers Werk zu folgen, die dank dieser ungewöhnlichen Präsentationsweise besonders anschaulich und nachvollziehbar werden. So wie ihre Fotografie auch immer die Reflexion über Fotografie beinhaltet, so wird die Bonner Ausstellung auch die Reflexion über das Ausstellen von Fotografie sichtbar machen.
Heidi Specker hat in Bielefeld und an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig studiert, wo sie seit fünf Jahren selbst lehrt. Sie leitet eine Klasse für Fotografie. Was kann man eigentlich jungen Menschen vermitteln, wenn das Bildermachen solche Selbstverständlichkeit besitzt und so leicht umzusetzen ist wie heute? „Man kann begleiten, Möglichkeiten aufzeigen, dabei habe es keine Bedeutung, ob das ganze analog oder digital geschieht.“ Wichtig sei die Konzeption, Bildkomposition, der Umgang mit Raum.

Begleitend zur Bonner Ausstellung ist ein umfangreicher von Stephan Müller gestalteter, reich bebildeter Katalog erschienen, mit Beiträgen von Barbara J. Scheuermann, Christoph Schreier sowie einem Gespräch von Martina Löw und Gerhard Vinken.

Zitat:
„Das Porträt ist immer auch Maskerade, selbst wenn es nur ein Lächeln ist, das man aufsetzt.“
Heidi Specker Fotografin

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BUS:

Vögel aus der Wohnung der Fotografin.
Foto: Peter Köster

Re-Prise, Pfütze, 2015, Archival Fine Art Print, 50 x 67 cm. Stiftung Ann und Jürgen Wilde, Zülpich.
Foto: Peter Köster

Re-Prise. Klavier, 2015, Archival Fine Art Print, 200 x 150 cm Stiftung Ann und Jürgen Wilde, Zülpich.
Foto: Peter Köster

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