Courage! – Das Thema Frauenwahlrecht im Mittelrheinmuseum

Von Peter Köster

Koblenz/Bonn. „Courage! Gleiche Rechte, gleiche Pflichten“, unter dieser Überschrift versammelt sich eine Ausstellung, die als Kooperationsprojekt zwischen dem Frauenmuseum Bonn und Mittelrhein-Museum Koblenz fungiert. Letztgenanntes Haus ist bis zum 26. Mai Austragungsort einer sehenswerten Ausstellung, die danach nach Bonn wechselt. 

Das laufende Jahr 2019 ist frauenpolitisch überaus wichtig. Es jährt sich zum 100. Mal, dass Frauen in Deutschland das Wahlrecht zugesprochen bekamen. Rückblick: Am 12. November 1918 veröffentlichte in Deutschland der Rat der Volksbeauftragten einen Aufruf an das deutsche Volk: „Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften sind fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten, allgemeinen Wahlrecht auf Grund des proportionalen Wahlsystems für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen.“ Am 19. Januar 1919 konnten dann Frauen erstmals auf nationaler Ebene ihr Wahlrecht nutzen. Durch den Zusammenbruch des Kaiserreichs und die Novemberrevolution wurde damit ein grundlegender Schritt auf dem Weg zur Gleichberechtigung von Männern und Frauen getan und somit ein Meilenstein gesetzt.

Künstlerinnen aus Bonn, Köln und Koblenz

Das Mittelrhein-Museum würdigt dieses Ereignis durch eine historische Dokumentation, die den langen Weg zum Frauenwahlrecht beleuchtet und neben dem Gang der Geschichte auf nationaler Ebene auch die Situation in Koblenz ins Auge fasst. Der historische Teil wird durch eine Ausstellung von zwölf zeitgenössischen Künstlerinnen aus Bonn, Köln und Koblenz ergänzt, die dieses Jubiläum zum Anlass für eine freie, kreative Auseinandersetzung mit dem Themenkreis nahmen. In einer gemeinsamen Ausstellung, bestehend aus Gemälden, fotografischen Arbeiten, Installationen sowie Skulptur- und graphische Textarbeiten, setzen sich die Künstlerinnen Erika Beyhl, Ines Braun, Eva Maria Enders, Corinna Heumann, Alin Klass, Firouzeh Görgen Ossouli, Violetta Richard, Johanna Sarah Schlenk, Julja Schneider, Ellen Sinzig, Isa Steinäuser und Iris Stephan aus Koblenz, Bonn und Köln mit dem Thema „100 Jahre Frauenwahlrecht“ auseinander.

Hommage an „Fotoatelier Elvira“

In ganz unterschiedlicher Herangehensweise an dieses wichtige Ereignis entstanden solch hervorgehobene Positionen wie die Wandarbeit „Elvira Kiss“ von Corinna Heumann, mit der die Bonnerin die herausragenden Leistungen von Anita Augspurg und Sophia Goudstikker im „Fotoatelier Elvira“ (München) in Erinnerung ruft. Dabei ist für Corinna Heumann der interdisziplinäre Ausdruck mit Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen essentiell. Der Kuss als Kuss der Muse oder als physisches Symbol eines zwischenmenschlichen Kontakts ist Heumanns Interpretation. Im mittleren Fenster der Arbeit (Fototapete nach einer digitalen Interpretation von August Endeli) ist ein Kussmund abgebildet, den die Künstlerin in der Farbe blau eingearbeitet hat. „Blau ist die Farbe der Romantik, die Farbe unerfüllter Sehnsucht. Hier steht die Farbe blau als Symbol für den Kampf um die Gleichstellung der Frauen, der noch nicht beendet ist“, so die Künstlerin.

Mittelpunkt der Münchner Moderne

Das „Fotoatelier Elivra“ war seinerzeit der Mittelpunkt der Münchner Moderne. Frauen und Männer des gebildeten Bürgertums aller Konfessionen, Mitgliederinnen und Mitglieder des bayerischen Königshauses, Literatinnen und Literaten, Künstlerinnen und Künstler, Schriftstellerinnen und Schriftsteller, Industrielle und Gelehrte trafen sich zum Austausch und zum Feste Feiern. Das Fotostudio wurde zur modernen Frauenbewegung in der Isar-Metropole. Hier wurden die emanzipatorischen Ideen gemeinsam mit den Männern diskutiert, in den Werken thematisiert und in allen Gesellschaftsschichten verbreitet.

Die Bodeninstallation „Nichtwählerinnen“ der Künstlerin Johanna Sarah Schlenk ist eine Auseinandersetzung mit den jungen Frauen, die ihr Wahlrecht aufgrund mangelnder Selbstwirksamkeitserwartung und schlechter Selbsteinschätzung nicht wahrnehmen. Das illuminierte Kunstwerk besteht aus einer Bodenplatte, auf der zehn aus transparentem Silikon geformte Büsten installiert sind, jeweils fünf männliche und fünf weibliche. Die Büsten sind von innen beleuchtet. Im Hirnbereich der weiblichen Büsten befinden sich Glaubenssätze und Abbildungen von Frauenbildern, die zum Teil aus Medien stammen. Diese kombinierte die Künstlerin mit Arbeiten aus der Sammlung des Mittelrhein-Museums. „Die auf den Büsten angebrachten Glaubenssätze geben diesbezüglich Hinweise auf die Selbsteinschätzung der Nichtwählerinnen. Junge Frauen sehen es zwar theoretisch als ihre Bürgerpflicht an, wählen zu gehen, folgen dieser Verpflichtung aber dennoch nicht“, so Johanna Sarah Schlenk. Als Ursache dafür verweist die Künstlerin auf die Beeinflussung durch Kultur und Medien und wirft die Frage auf, wie bewusst treffe ich meine Entscheidungen und wie begründe ich diese? Hier knüpft das Werk von Schlenk an, um ganz bewusst auf die Unterschiede in der Sozialisation von jungen Frauen und Männern hinzuweisen.

 

BUS:

Bodeninstallation mit Collageelementen aus Frauendarstellungen von Werken der Sammlung des Mittelrhein-Mueums Koblenz. Silikon, Papier, Kunststoff LED-Streifen, 200 x 200 cm, 2019. Foto: Georg Divossen.

Corinna Heumanns Wandarbeit (Fototapete nach einer digitalen Interpretation) von August Endeli), 2018. Foto: Georg Divossen

 
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