Bonn zeigt Goethe an zwei unterschiedlichen Orten

Von Peter Köster

Bonn. Bonn bekommt Goethe gleich im Doppelpack. Während noch vor 25 Jahren die Frankfurter Schirn den berühmten deutschen Dichter in einer Einzel-Ausstellung feierte, zeigt ihn die Bundeskunsthalle ein Vierteljahrhundert später gleich an zwei Ausstellungsorten, die sowohl das Draußen als auch das Drinnen beleuchten. „Goethes Gärten. Grüne Welten auf dem Dach der Bundeskunsthalle“ (BKH) begleitet die große Ausstellung „Goethe. Verwandlung der Welt. Beide geöffnet bis zum 15. September.

Natur und Botanik

Sein Leben lang galt Goethes Interesse seinen Gärten. Natur und Botanik faszinierten ihn. Eine eigens für Bonn entwickelte Dachgarten-Landschaft vereint die zentralen Motive aus den beiden Gärten des Weimarer Dichters: den Garten am Stern neben seinem berühmten Gartenhaus, das ihm zunächst auch als Wohnsitz diente, und den Hausgarten am Weimarer Frauenplan, seinem repräsentativen Anwesen im Zentrum der Stadt. Als Goethe im Frühjahr 1776 sein erstes Weimarer Anwesen unweit der Ilm bezog, galt sein besonderes Interesse dem weitläufigen Garten, dessen Neugestaltung er sogleich in Angriff nahm. Er legte nicht nur einen Nutzgarten für die häusliche Versorgung mit Obst und Gemüse an, sondern schuf auch einen kleinen englischen Landschaftsgarten mit gewundenen Wegen und schattigen Ruheplätzen.

Meister der Farbenlehre

Überdies diente ihm der Garten als Beobachtungsfeld für botanische Studien, deren Ergebnisse sich in seinen wissenschaftlichen Schriften wie der Metamorphosen- und der Farbenlehre widerspiegeln. Mit Letzterer hat sich Goethe Zeit seines Lebens beschäftigt. Seine 1810 veröffentlichte Farbenlehre inspirierte zahlreiche Künstler wie William Turner, Johannes Itten (Bauhaus) und Olaf Eliasson. Auch in seinem repräsentativen Haus am Weimarer Frauenplan, das er nach dem Ilm-Anwesen bewohnte, widmete sich der Dichter dem dortigen Garten mit besonderer Aufmerksamkeit. Er nutzte das Areal sowohl als Küchengarten wie auch als botanisches Experimentierfeld. In einem Pavillon an der Südseite des Gartens richtete er zudem seine geowissenschaftliche Sammlung ein, die Mineralien, Gesteine sowie Fossilien aus aller Welt umfasste. Vieles aus der botanischen Welt Goethes wird nun auf dem Dach der Bundeskunsthalle gezeigt: ein sinnenfrohes Abenteuer in „Goethes Gärten“, in dem u.a. ein Ginkgo-Baum seinen Platz findet. Eine Anlehnung an Goethes Gedicht „Ginkgo biloba“.

„Goethe. Verwandlung der Welt“ ist Ausstellungsteil zwei überschrieben. Die wechselvolle Rezeptionsgeschichte seines Werks wie auch seiner Person bildet einen wichtigen Ausgangspunkt für Fragen nach der Aktualität Goethes, der diese Ausstellung nachgeht. In neun Kapiteln erschließt die Schau Goethes Leben und Werk sowie den Epochenhorizont seiner Zeit – von 1749, dem Jahr seiner Geburt, bis zu seinem Tod im Jahr 1832. Zentrale biografische Wendepunkte und Ereignisse sowie einige seiner bekanntesten Werke bilden den Fokus der Ausstellung. Gleichzeitig spielt der Blick auf das Zeitgeschehen eine zentrale Rolle: Die großen Ideenkomplexe und die politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Umbrüche liefern dafür nicht nur den zeitlichen Hintergrund, sondern spiegeln die maßgeblichen Fragestellungen der Zeit, mit denen Goethe sich intensiv auseinandergesetzt hat. Goethe war nicht nur ein kritischer Beobachter der anbrechenden Moderne, sondern zugleich ein äußerst wandlungsfähiger Künstler, der bis heute Schriftsteller, Maler und Bildhauer sowie Komponisten, Fotografen und Filmregisseure inspiriert.

Stürmer und Dränger

Die Schau startet mit fünf berühmten Porträts, die ihn als jungen Stürmer und Dränger, als Visionär, als Staatsmann, etablierten Dichter und weisen Herrn zeichnen. Der Parcours führt weiter zu einem Rondell, in dem – halb versunken Goethes Reisekutsche (eine Installation von Asta Gröting) die Aufmerksamkeit auf sich zieht. „Welt der Moderne“, „Faust – eine Tragödie“ mit Bühnenbildern, Erstausgaben, Kino- und Theaterszenen oder „Arkadische Welt“, die „Reise nach Italien“, wo ein Bogen von Goethes Liebe zur Antike und zu Rom bis zur Italienbegeisterung der Deutschen allgemein und speziell der fulminanten Italophilie des Malers Cy Twombly geschlagen wird, sind weitere Stationen dieser Schau. Nicht zu vergessen das Kapitel „West-östlicher Divan“, einer der Klassiker Goethes. Zitat: „Wer sich selbst und andere kennt, der wird auch hier erkennen: Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen.“ 1819, also vor 200 Jahren, entstand der „West-östliche Divan“, der sich der Lyrik des persischen Dichters Hafis widmet. 2010/2011 stand besagtes Zitat im Brennpunkt einer hitzigen Islam-Debatte, die in deutschen Feuilletons ausgetragen wurde. „Literaturwissenschaftler, Historiker und Publizisten schalteten sich ein, jeder führte seinen persönlichen Goethe ins Feld – ein bizarres Erlebnis. Alle fanden bei Goethe, was sie suchten, mal in philologisch konziser Beweisführung, mal im pauschalen, auf jede Differenzierung verzichtenden Zugriff“, so Kurator Thorsten Valk von der Klassik Stiftung Weimar.

Schau versammelt 250 Leihgaben

Die philologisch präzise und ästhetisch intelligente Ausstellung veranschaulicht Goethes Werk und seine Biografie im Horizont der frühen Moderne sowie die einzigartige Rezeptionsgeschichte seines Wirkens. Die groß angelegte Schau versammelt annähernd 250 Leihgaben aus öffentlichen und privaten Sammlungen weltweit. Darunter Werke von Caspar David Friedrich, Auguste Rodin, William Turner, Angelika Kauffmann, Piet Mondrian, Paul Klee, Cy Twombly, Andy Warhol, Barbara Klemm, Ólafur Elíasson und Regine Schumann. Die Ausstellung entstand in Kooperation mit der Klassik Stiftung Weimar, Freies Deutsches Hochstift, Frankfurt am Main Goethe-Museum Düsseldorf und Museum Casa di Goethe, Rom.

 

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Bild 1: Georgi Takev Goethe in der römischen Campagna 1996 Öl auf Leinwand
Foto: Peter Köster

Bild 2: Installation von Goethes Reisekutsche.
Foto: Peter Köster

Bild 3: Skulptur: Weltkugel auf dem Dach der Bundeskunsthalle.
Foto: Peter Köster

Bild 4: Ginkgo-Baum in Anlehnung an Goethes Gedicht „Ginkgo biloba“.
Foto: Peter Köster

 
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